"Die sind noch so winzig": Katzenbabys in Bielefeld aus Müllcontainer gerettet

Bielefeld. Helmut Tiekötter hat an diesem Abend gerade das Notdiensthandy übernommen, als es schon klingelt: Geräusche aus einem Müllcontainer, wohl Tierbabys, bitte kommen. Also eilt der Vorsitzende des Bielefelder Tierschutzvereins in das kleine Industriegebiet rund um den früheren Ratio-Großmarkt nach Sennestadt.

Bimmelt das Notdiensttelefon des Tierschutzvereins, müssen die Mitarbeiter mit allem rechnen: entlaufene Hunde, verletzte Tauben, freihoppelnde Kaninchen, meistens sind es Tiere in Not. "Wir helfen natürlich immer gern", sagt Tiekötter, "die Anrufe um 4 Uhr nachts wegen einer humpelnden Taube müssen aber nicht sein". Manchmal wünscht er sich mehr Eigeninitiative von den Tierfreunden. "Taube in einen Karton, ruhigstellen, am Morgen anrufen."

An diesem Abend geht es zum Hintereingang des Decathlon in Sennestadt. Mitarbeiter haben aus einem Müllcontainer Geräusche gehört. Zwei Meter tief und fünf Meter lang ist der Container, hinunter geht's über eine wacklige Brücke. Tiekötter ist fit, aber eben doch schon 71. "Hilft ja nichts", denkt er sich - und klettert hinunter. Das nötigste Equipment hat er dabei: Kescher, Transportbox, was man so braucht zum Tiere fangen.

Tiere sind höchstens zwei Tage alt Unten in einer Ecke kauert eine Katzenmama mit ihren winzigen Welpen. Höchstens zwei Tage alt, "noch winzig". Hätte man sie nicht gehört, wären sie verloren gewesen. Zumindest den winzigen Babys hätte der Tod in der Müllverbrennungsanlage gedroht - eine Quälerei. Wie sind die Kleinen dort hingekommen? Tiekötter vermutet, die Tiere sind im Müllcontainer entsorgt worden: "Die schwangere Katze wäre nicht dort hinuntergesprungen, sie hätte sich eher unter dem Container versteckt."

Auf dem Gelände wohnen offenbar schon seit vielen Jahren etliche Katzen. Mitarbeiter des ehemaligen Ratio Großmarkts hatten seinerzeit viele Tiere eingefangen, im Tierheim kastrieren lassen und dann wieder in gewohnter Gegend ausgesetzt. Wenn allerdings immer wieder Katzenhalter unkastrierte Tiere frei herumlaufen lassen, hilft alles nichts. Die Reproduktionsquote bei Katzen ist enorm.

Mit dem Kescher lässt sich die Katzenmama nicht einfangen. Deshalb schnappt sich Helmut Tiekötter die sechs Kleinen und setzt sie in eine kleine Transportbox. Schnell klettert nun auch die Mutter hinein und die kleine Familie ist bereit für den Abtransport. Die sieben Tiere scheinen auf den ersten Blick gesund. Das große Problem: Wohin damit?

260 Katzen im Tierheim Das Tierheim ist völlig überfüllt, Katzen leben hier sogar auf den Fluren. "So schlimm war es wirklich noch nie. Da geht nichts mehr." Tiekötter nimmt die Schar also erst einmal mit nach Hause. "Ich habe sie erst im Badezimmer einquartiert." Später bringt er die Katzen zu einer Mitarbeiterin.

Das Problem ist gelöst, doch die Misere um die große Bielefelder Katzenpopulation bleibt. Das Tierheim hat wieder einen Aufnahmestopp für alle Katzen ausgesprochen. Alles ist voll - 260 Katzen werden versorgt. &bdquo;Die Situation ist dramatisch, anders kann man die Lage nicht bezeichnen“, sagt Tierheimleitung Jutta Schaper.

Auch die Geschichten der Fundkatzen schmerzen die Mitarbeiter: Zwei Katzen wurden jüngst in der Bielefelder Innenstadt ausgesetzt - auf einem Spielplatz in einer Plastiktüte. Die beiden entgingen nur knapp einem qualvollen Tod.

Quälerei und Leid wären vermeidbar - wenn alle Katzenhalter ihre freilaufenden Tiere kastrieren lassen. Doch das Mantra der Tierschützer verhallt bei zu vielen ungehört.

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