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Dem Tod knapp entkommen: Überlebende treffen ihre Retter in Gütersloh

Danielle Dörsing

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Familienvater Alexander Bloch brach im Dezember 2023 in Borgholzhausen zusammen. Seine Retter durfte er in Gütersloh nun das erste Mal kennenlernen. - © Danielle Dörsing
Familienvater Alexander Bloch brach im Dezember 2023 in Borgholzhausen zusammen. Seine Retter durfte er in Gütersloh nun das erste Mal kennenlernen. (© Danielle Dörsing)

Kreis Gütersloh. Alexander Bloch war am 4. Dezember 2023 klinisch tot. Der dreifache Vater erlitt einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand und brach vor den Augen seiner Familie in Borgholzhausen zusammen. Dieser verschneite Dezembertag hätte in einer Tragödie enden können, doch Fynn Schulte und Patrick van Diesen retteten dem 39-Jährigen das Leben.

Schulte und van Diesen sind Teil der „Mobilen Retter“, einem im Kreis Gütersloh entwickelten Lebensrettungssystem. Die Smartphone-basierte Alarmierungssoftware unterstützt seit mehr als zehn Jahren die Rettungskette im Kreis Gütersloh. In über 6.000 Einsätzen hat das Ersthelfernetzwerk bereits geholfen, Leben zu retten. 150 „Mobilen Rettern“ wurde nun mit einer Dankesfeier im Kreishaus für ihren Einsatz gedankt. Auch einige Gerettete und ihre Angehörigen waren dabei - darunter auch Alexander Bloch und seine Familie.

Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes verstreichen häufig wertvolle Sekunden, die über Leben und Tod entscheiden können. Hier übernehmen oft die „Mobilen Retter“ die Notfallhilfe: „Bei einem Herz–Kreislauf-Stillstand zählt jede Sekunde. Wir kombinieren die bereits vorhandenen Lebensrettungssysteme und potenzieren somit ihre Effekte“, sagt Bernd Strickmann, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Kreis.

Thomas Kuhlbusch (v.l), Dezernent, Kreis Gütersloh, Detlef Vincke Überlebender, Ralf Stroop, Entwickler und Ideengeber, Andreas Lekic, Überlebender, Heinrich Harbrock, Überlebender, Alexander Bloch, Überlebender, und Bernd Strickmann, Ärztlicher Leiter des kreiseigenen Rettungsdienstes, feiern gemeinsam mit Landrat Sven-Georg Adenauer (2.v.r.) vor dem Kreishaus. - © Danielle Dörsing
Thomas Kuhlbusch (v.l), Dezernent, Kreis Gütersloh, Detlef Vincke Überlebender, Ralf Stroop, Entwickler und Ideengeber, Andreas Lekic, Überlebender, Heinrich Harbrock, Überlebender, Alexander Bloch, Überlebender, und Bernd Strickmann, Ärztlicher Leiter des kreiseigenen Rettungsdienstes, feiern gemeinsam mit Landrat Sven-Georg Adenauer (2.v.r.) vor dem Kreishaus. (© Danielle Dörsing)

System wird mittlerweile in ganz Deutschland genutzt

„Mobile Retter erhöhen deutlich die Chancen, einen Kreislaufstillstand zu überleben und ohne bleibende Schäden aus dem Krankenhaus entlassen zu werden“, erklärt er. Das von Ralf Stroop technisch entwickelte System und ist mittlerweile in ganz Deutschland unter verschiedenen Namen im Einsatz. Geschulte, in der Wiederbelebung erfahrene Retter, die sich zufällig in der Nähe eines Notfallortes befinden, werden dabei durch die Leitstelle zeitgleich mit dem Rettungsdienst über ihr Smartphone alarmiert.

„So wird das therapiefreie Intervall vom Notruf bis zum Eintreffen des Einsatzfahrzeugs weiter verkürzt und die Rettungskette weiter gestärkt - insbesondere im ländlichen Gebieten“, erläutert Bernd Strickmann. An diesem Nachmittag ist die Kantine des Kreishauses gut gefüllt mit Menschen jeden Alters.

Viele Menschen sind in ihren Uniformen erschienen, auf dem Parkplatz stehen zahlreiche Einsatz- und Rettungsfahrzeuge: „Die Idee ist, auch den Rettungskräften die Möglichkeit zu geben, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen“, so Strickmann.

Erster Einsatz fand im Kreis Gütersloh statt

916 Menschen engagieren sich momentan ehrenamtlich im mobilen Rettungsteam, viele davon sind der Einladung gefolgt: „Die „Mobilen Retter“ sind mittlerweile ein fester Teil der Rettungskette“, sagt Entwickler Stroop. Der Arzt und Ingenieur für Elektro- und Informationstechnik zeichnete in einer kurzen humoristischen Einführung die Entwicklungsgeschichte des Projektes nach – inklusive Erfolgen und Niederlagen.

Dabei berichtet er eindrücklich von der ersten Alarmierung überhaupt, einem Verkehrsunfall auf der Bogenstraße in Rietberg, bei dem ein junger Mann verunglückt. Auch der Moment, als ihn die Nachricht des ersten Überlebenden erreichen, spricht er an.

Dann wendet er sich an die Einsatzkräfte: „Manchmal denke ich, dass ein „Danke“ niemals ausreichen wird. Auch wenn jeder und jede hier im Raum immer sagt, dass es selbstverständlich sei, zu helfen. Dem ist aber nicht so. Ihr habt meinen tiefen Respekt - Hochachtung, was ihr da auf euch nehmt, rund um die Uhr“, so Stroop.

Überlebende bedanken sich bei ihren Rettern

Worte des Dankes und der Wertschätzung fanden auch vier der geladenen Überlebenden. Währenddessen wird es still im Saal. Die Stimmung im Raum ist aufgeladen, Emotionen springen von Gesicht zu Gesicht: „Ihr habt in die Kette eingegriffen, obwohl ich nicht einmal wusste, dass es die „Mobilen Retter“ überhaupt gibt“, so der gerettete Bielefelder Andreas Lekic. Bis heute könne er Glück und Dankbarkeit kaum fassen.

Detlef Vincke ist einer der Geretteten und ehemaliges Kreistagsmitglied. Seine Frau war sachkundige Bürgerin im Gesundheitsausschuss und brachte damals die "Mobilen Retter" mit auf den Weg. - © Danielle Dörsing
Detlef Vincke ist einer der Geretteten und ehemaliges Kreistagsmitglied. Seine Frau war sachkundige Bürgerin im Gesundheitsausschuss und brachte damals die "Mobilen Retter" mit auf den Weg. (© Danielle Dörsing)

Unter den Überlebenden ist auch das ehemalige Kreistagsmitglied Detlef Vincke. Vinckes Frau war sachkundige Bürgerin im Gesundheitsausschuss und brachte das Projekt mit auf den Weg – unwissend, dass es kurze Zeit ihr Ehemann sein würde, der den „Mobilen Rettern“ sein Leben verdankt: „Euer zivilgesellschaftliches Engagement ist beispielhaft. Dass es überhaupt so ein System gibt, dass so vielen Menschen Sicherheit und mir mein Leben gibt, macht mich immer noch sprachlos“, so Vincke.

Alexander Bloch pflichtet ihm bei: „Meine Kinder haben deshalb einen Vater, meine wundervolle Frau einen Ehemann. Ich kann mich nicht oft genug bedanken - bei jeder Person, die irgendwie daran beteiligt ist.“ Viele Rettungskräfte nicken sich währenddessen stumm zu, einige ergreifen die Hand eines Kollegen.

Projekt ist noch lange nicht am Ende

Alle Rednerinnen und Redner motivieren, selbst aktiv zu werden: „Wir sind bei Weitem noch nicht am Ende. Je mehr Menschen bereit sind, sich zu engagieren, desto mehr Menschen können im besten Fall weiterleben“, so Bernd Strickmann eindringlich.

Informationen zu Voraussetzungen und Registrierungsmöglichkeiten finden Interessierte auf der Website des Projektes, bei Verena Bittner unter Tel. 0221 96694590, sowie unter der E-Mail-Adresse info@mobile-retter.org

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