Bielefelder Gastronom alarmiert: Bratwurst durch Verpackungssteuer bald zu teuer?

Bielefeld. Toni Martic versteht die Welt nicht mehr. Alles scheint sich gegen ihn und die Imbiss-Branche verschworen zu haben. Erst musste der Betreiber von &bdquo;Toni’s Schlemmer-Pavillon“ am Brackweder Kirchplatz wie alle Gastronomen die Coronakrise verdauen. Dann schlugen ihm der russische Angriff auf die Ukraine, die Inflation und die Konsumzurückhaltung der Verbraucher auf den Magen. &bdquo;Es folgte die Straßenbaumaßnahme, die seit zweieinhalb Jahren andauert und die ich nur durch viele nette Stammkunden überstanden habe“, klagt Martic. Und jetzt fürchtet er noch eine kommunale Verpackungssteuer, die ihm das Geschäft zusätzlich vermasseln könnte.

Die von der Deutschen Umwelthilfe und dem Klimabeirat der Stadt unterstützten Bestrebungen, eine solche Verpackungssteuer, wie sie die Universitätsstadt Tübingen schon 2022 auf Pommes-Schälchen und Togo-Kaffeebecher einführte, auch in Bielefeld zu erheben, sieht Martic mit Sorge. Eine solche Steuer würde seine Preise empfindlich nach oben schrauben, &bdquo;ich könnte das nicht anders auffangen“. Schon in den vergangenen Jahren habe er die Preise wegen der Inflation deutlich anheben müssen, bei vielen seiner Kunden sei die Schmerzgrenze erreicht – von Schulkindern bis zu Handwerkern oder Büro-Angestellten, die seinen Imbiss in der Pause aufsuchen.

&bdquo;Ich hoffe, dass wir das in Bielefeld verhindern können“, sagt Martic. Neben den drohenden Preiserhöhungen fürchtet er auch einen wachsenden bürokratischen Aufwand. Er müsste zum Beispiel dokumentieren, wie viele Schälchen er für Würstchen und Pommes herausgegeben hat und wie viele Teile Einwegbesteck. &bdquo;Die Berichtspflichten kosten Zeit und Geld. Zwar sprechen alle über Bürokratieabbau, doch es wird immer noch was draufgepackt“, ist er völlig verwundert.

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FDP will Diskussion über Verpackungssteuer beenden Unterstützung in seinem Widerstand gegen die Einführung einer Verpackungssteuer erhält Martic unter anderem von Jasmin Wahl-Schwentker, der FDP-Spitzenkandidatin bei der Kommunalwahl am 14. September 2025. &bdquo;Das Thema liegt bereits im Umweltausschuss, und die Stadt leidet unter Geldmangel“, sagt Wahl-Schwentker – sie hält die Gefahr, dass die neue Steuer tatsächlich durchgesetzt wird, daher für gegeben. Vor allem die Grünen, so denkt sie, stehen unter Druck von Stammwählern und Organisationen wie dem BUND, sich für die Verpackungssteuer einzusetzen. Ihre Partei hingegen wolle die Diskussion möglichst &bdquo;frühzeitig beenden“. Am besten solle nicht einmal ein Prüfauftrag an die Verwaltung ergehen, denn nicht nur die Erhebung der Steuer sei mit einem &bdquo;wahnsinnigen bürokratischen Aufwand“ verbunden, sondern schon die Prüfung.

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Wahl-Schwentker , die im Herbst als Kandidatin ihrer Partei für das Amt der Oberbürgermeisterin antritt, sieht gleich mehrere Gründe, die gegen die Verpackungssteuer sprechen: Neben der Zunahme an Bürokratie (&bdquo;mehr Papierkram für die Gastronomie, aber auch für die Verwaltung“) werde das Essen für die Hungrigen teurer, und für das eigentliche Ziel, die Menge an Müll zu reduzieren, bringe die Steuer nichts: Das habe eine Studie am Lehrstuhl für &bdquo;International Business Taxation“ der Uni Tübingen erwiesen.

Die genannte Doktorarbeit komme immerhin zu dem Schluss, dass das Angebot an Mehrwegverpackungen durch die Steuer &bdquo;stark stimuliert“ wurde, hatte die Universität dazu im Mai 2023 selbst mitgeteilt – das Gewicht der Müllmenge sei aber nicht gesunken. &bdquo;Damit ist auch der Sinn und Zweck der Steuer infrage gestellt“, sagt FDP-Stadtrat Rainer Seifert, der sich als Brackweder Bezirksvertreter seiner Partei auch auf Martic’ Seite stellt.

Führt die Verpackungssteuer in Bielefeld zu Ungerechtigkeiten? Wahl-Schwentker sieht durch eine Verpackungssteuer zudem noch zusätzliche Probleme auf die Stadt zukommen. So führe die Steuererhebung zu potenziellen Ungerechtigkeiten, wenn etwa dauerhafte Imbissbuden belastet würden, nicht aber vergleichbare Angebote auf Jahrmärkten oder Stadtfesten. Ähnlich sei es mit Fertigmahlzeiten, die von Supermärkten in Plastikschälchen verkauft würden, wenn sie nicht besteuert würden: &bdquo;Hier gibt es einen hohen Regelungsbedarf“, stellt die FDP-Politikerin fest.

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Und das mögliche Steueraufkommen durch die Verpackungssteuer? Nach ersten Berechnungen wären in Bielefeld etwa 1.600 Betriebe von der Eisdiele und der Bäckerei bis zum Coffee-Store verpackungssteuerpflichtig, und denkbar wären Steuereinnahmen in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe, wenn für alle Betriebe werktäglich rund 100 Euro Verpackungssteuer fällig würden. Solch ein Betrag wiederum wäre plausibel, wenn für jedes Pommes-Schälchen und jeden Kaffee-Pappbecher 50 Cent und für jeden Holz-Pieker 20 Cent zu zahlen wären.

Bielefelder Martic sieht existenzbedrohende Gefahr Dazu heißt es aus dem von Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos, bis 2023 Grüne) geführten Rathaus in Tübingen (90.000 Einwohner), hier müssten rund 200 Betriebe Verpackungssteuer zahlen. Für das erste Erhebungsjahr 2022 gäbe es bisher 189 Steuerbescheide – demnach flössen tatsächlich nur rund eine Million Euro an Verpackungssteuer ins Tübinger Stadtsäckel. Der verstärkte Griff zu Mehrweglösungen gilt als einer der Gründe für die mageren Erträge. &bdquo;In Tübingen gibt es seit der Einführung der Verpackungssteuer ein viermal größeres Mehrwegangebot als zuvor“, teilte Stadt-Sprecherin Nicole Romey mit. Dabei seien Mehrweglösungen hier schon vorher sehr verbreitet gewesen, weil es Zuschüsse für Mehrwegkaffeebecher und dann ein Förderprogramm für Mehrweggeschirr gegeben habe.

Toni Martic aber ist vorerst noch nicht überzeugt. Er sieht für seine Branche eine existenzbedrohende Gefahr. Weil er in seinem kleinen Imbiss kein Geschirr und kein Besteck spülen könne, wäre er von einer Verpackungssteuer stark betroffen, und die Steuer müsste er an seine Gäste weitergeben. Mancher Kunde wäre dadurch überfordert und könnte sich die Bratwurst am Ende nicht mehr leisten, glaubt er. So, wie vom Recht auf bezahlbaren Wohnraum gesprochen werde, könne man auch ein Recht auf bezahlbare Bratwürste fordern, findet Martic.

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