Andreas W. Herb leitet die Paderborner MBG-Gruppe. Im Interview spricht er über Social Media, Bürokratie-Wahn, mögliches Sport-Sponsoring und Kofferraumverkauf. Herr Herb, bekannt geworden sind Sie als Chef des Paderborner Getränkeunternehmens MBG unter anderem mit Salitos-Bier und dem Energydrink Effect. Mittlerweile werden Sie selbst zu einer Marke und sind jeden Tag auf Social Media aktiv. Sie haben bei Instagram rund 230.000 Follower, der SCP hat 88.600, Carsten Linnemann knapp 66.000. Vermutlich sind Sie der im Netz erfolgreichste Paderborner. ANDREAS W. HERB: Das ist ja nur Instagram, mein Tiktok-Account, der glaube ich bei 219.000 liegt, ist noch stärker, was die Abrufdauer betrifft. Dazu kommen Youtube und Linkedin. 220.000 oder 230.000 sind ja noch keine Welteroberung. Viel größer ist die Anzahl der Videoaufrufe. In den letzten 30 Tagen waren es auf Instagram und Tiktok zusammen ungefähr 32 Millionen, die länger als 30 Sekunden waren. Macht Ihnen das Angst oder genießen Sie nur? Als ich damit begonnen habe, habe ich in keinster Weise erwartet, dass sich so eine breite Masse für einen 54-jährigen mittelständischen Unternehmer aus Paderborn interessiert. Als ich im Oktober 2023 den Videografen Till Hülsmann eingestellt habe, meinte ich im Vorstellungsgespräch, dass wir vielleicht mal 50.000 oder in zwei, drei Jahren mal die 100.000 Follower schaffen würden. Spüren Sie das auch bei MBG? Es wirkt sich super auf das Unternehmen aus: Viele Leute kaufen dadurch unsere Produkte, wir haben viel bessere Bewerbungsraten. Unglaublich viele Rewe-Markt-Betreiber verfolgen, wenn ich Store-Checks mache. Die sagen dann: „Komm’ mal bei vorbei, bei mir sieht’s richtig gut aus. Wenn du vorbeikommst, machen wir richtig Tamtam.“ Das Gleiche könnte ich jetzt für Edeka-Markt- oder Kiosk-Betreiber sagen. Dann geht es weiter. Mich schreiben Leute an, die auch in der Gastronomie sind und mich kennenlernen wollen. Was machst du denn? „Hotellerie.“ Okay, dann lass uns mal zusammensetzen. Dann kommt derjenige - Ruslan Husry - nach Paderborn, wir sitzen im Meeting-Raum und ich sage: Ich kenne dich gar nicht, welches Hotel gehört dir denn? „Ja nee, mir gehört kein Hotel, ich habe 260 Hotels.“ Ich war sprachlos. Ein Kunde dieser Größe kommt dank Instagram zu mir. Verkehrte Welt - oder? Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Andreas W Herb (@andreaswherb) Absolut. Eigentlich komme ich als Vertriebler irgendwo hin und bitte darum, meine Produkte ins Sortiment zu bekommen. Doch mittlerweile: Oftmals checke ich undercover in Hotels ein, aber spätestens nach einem Tag, ist es so: „Herr Herb, können wir Ihnen vielleicht ein größeres Zimmer geben. Wir haben da noch was aus der Küche.“ Das sind die privaten Annehmlichkeiten. Auf einmal sitzt da aber der Direktor und wir reden auch über die Sache. Ähnlich war es in Bielefeld, da gibt es das Légère Hotel, dessen Betreiber mich angeschrieben hat und meinte: „Interessant, was du so treibst. Darf ich dir mal mein Hotel zeigen?“ Ja, klar, das interessiert mich. Also getroffen, gutes Gespräch gehabt, acht Hotels mit unseren Produkten versorgt. So geht das in Serie. Und jenseits des Geschäfts? Live spüren können habe ich das vor ein paar Wochen: Ich war auf der Aida Festival Cruise mit 3.500 Gästen und irgendwann im Laufe des ersten Tages sprach es sich rum, dass der Herbi auch auf dem Boot ist. Man sah förmlich, wie es sich steigerte. Wir waren zwar Sponsor - aber dass in dreieinhalb Tagen 41.700 Flaschen Salitos für je 4,50 Euro getrunken wurden! Social Media lohnt sich für Sie. Hätte ich schon mal zwei Jahre eher angefangen. Aber hätte, hätte Fahrradkette. Doch der mediale Wert geht in die Millionen. Wir haben es vor ein paar Monaten mal ausgerechnet, da waren die Zahlen noch viel kleiner: Demnach müsste MBG 3,4 Millionen Euro ausgeben, um das Gleiche an Reichweite mit bezahlter Werbung zu erreichen. Die Leute sehen jetzt auch viel mehr: Wer überhaupt ist MBG? Was ist dieser Herb für ein Vogel? Stimmt das, was die Leute über den sagen? Ein lustiges Beispiel: Ich war in der Westfalen-Therme zu Gast und saß in der Sauna, neben mir waren zwei jüngere Herren um die 30. Der eine erzählte dem anderen, dass er der Personal Trainer vom Herb sei. Ich kannte den gar nicht. Haben Sie es aufgelöst? Ich hab’s belassen. Es gibt ja immer so sagenumwobene Geschichten. Als meine heutige Export-Leiterin damals als Assistentin angefangen hat, da sagte sie zu mir: „Mich haben Leute angesprochen: Pass auf, der Herb, der schmeißt hier mit Lochern nach seinen Sekretärinnen.“ Ich habe überhaupt keinen Locher. Und angefangen hat Ihr Social-Media-Aufstieg mit einer Provokation Ende 2022. Da waren alle Marketing-Leute im Raum und ich war wirklich unzufrieden mit den Ergebnissen für die Planung - besonders im Bereich Influencer. Daraus ist der Quatsch entstanden: So, ich mach das jetzt selber. Dass das so eine Dynamik bekommt, dass mich junge Kerle ansprechen, ob sie mit mir ein Foto machen können. Wobei das in Paderborn weniger ist als woanders. Ich war jetzt an einem Samstag in Düsseldorf: Altstadt, 100 Fotos. In Bielefeld im Cafe Europa musste ein Bereich abgesperrt werden. Ich war eigentlich zum Geburtstag meines Videografen Till da, die ganze Feier wurde gecrasht. Ihnen werden auch viele verrückte Dinge zugeschickt. Manchmal kommen etwa selbstgekochte Marmeladen: Die esse ich nicht. Und es kommen irre viele Firmen, die ihre Produkte gern mal in einem der Videos drin hätten. Die anbieten, dafür zu zahlen, dass ich sie präsentiere - was grundsätzlich nicht möglich ist, um es für alle klarzustellen: Keine Storys gegen Geld. Das gibt’s bei Influencern, das mache ich nicht. Und dann kommen auch gebastelte Geschenke, über die ich mich freue, Sachen mit Herz. Es geht aber auch vieles zurück. Bei gewissen Werten möchte ich es nicht haben. Es gibt auch Anfragen, ob ich mal ein Video oder eine Grußkarte einsprechen könnte. Verrückt. Mittlerweile sind Sie selbst in Podcasts ein Thema wegen Ihrer Aussagen zum Thema Bürokratie. Die Deutsche Digitale Nationalbibliothek forderte, dass ein Werbemagazin einer Tochterfirma von uns online hochgeladen wird. Ich stehe dann neben Schiller und Goethe und werde von Bedeutung sein in 100 Jahren. Alles klar - wohl kaum! Oder da kommt ein in epochalem Bürokratiedeutsch geschriebener Brief vom Grünflächenamt, weil wir hochkriminell ein Stück Wiese neben unserem Grundstück mitgemäht haben - mit der Androhung von Ordnungsgeld und dass nun gewisses Saatgut eingesät werden muss. Das zieht sich ja durch: Datenbeauftragter, Brandschutzbeauftragter, Rettungsbeauftragter, ein Beauftragter, der die Beauftragten begleitet. Ich weiß gar nicht, wie viele Beauftragte wir haben. Wahrscheinlich haben wir auch einen Mäusebeauftragten. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Andreas W Herb (@andreaswherb) Und was ist mit Ihrem Salitos-Beach und den Blaualgen am Lippesee? Mein Betriebsleiter bekam Besuch von netten Herren, ich bin mir nicht sicher, ob von Bezirksregierung, Kreis oder Stadt, mit der frohlockenden Nachricht, dass die Blaualge - weswegen der Strand ja jetzt zwei Jahre im Sommer badetechnisch gesperrt wurde - nach nun vorliegenden Analysen nicht toxisch war. Erstmal sperren und analysieren, finde ich gut. Aber jetzt heißt es, komme die Alge im Sommer zurück, wird wieder gesperrt. Das verstehe ich nicht. Ich hätte erwartet, dass man dieses Jahr nicht sperrt, damit die Familien baden können. Aber verbieten ist leichter als erlauben. Was ist für Sie medial noch denkbar? Auch für große Fernsehprojekte soll es Anfragen geben. Eigentlich haben alle Großen ein Angebot gemacht, ob ich bei einer bestehenden Sendung mitmachen oder ich ein eigenes Format möchte. Ich fühle mich gebauchpinselt und es wäre auch sexy durch die sich potenzierende Reichweite. Aber der Aufwand: Für einen RTL-Beitrag von sechs Minuten hatten wir einmal zwei Drehtage. Für Social Media brauchen wir zehn Minuten. Bei der mir angebotenen Show wären es drei Drehtage gewesen. Das Wichtigste: Ich liebe meinen Job und bin nicht auf der Suche nach einem neuen - auch nicht für die Zeit nach MBG. Das hindert mich daran, mit einer Medienanstalt weiterzugehen. Die Unternehmensgruppe MBG ist stetig gewachsen. Aktuell machen sie 250 Millionen Euro Umsatz, davon 170 Millionen in Deutschland. Ende 2007, kurz vor dem Umzug aus Ihrem Büro in der Libori-Galerie in die heutigen Räume am Paderborner Stadtrand, lag der Umsatz bei 35 Millionen Euro. Damals sagten Sie, schon 2012 75 Prozent Ihres Umsatzes im Ausland machen zu wollen. Hat nicht geklappt. Nee. Und das ist schade, weil es noch immer mein Ziel ist. Weil ich glaube, dass das Wohl der Company in der Internationalisierung liegt. Deutschland ist der wichtigste Markt für uns. Aber wenn wir mal auf unsere in Paderborn erfundenen Marken - ob Nine Mile, Salitos oder Effect - schauen, dann sind von den 193 Ländern in der Welt abgerundet 100 spannend. Wir werden nicht überall die Größe wie in Deutschland erreichen können, aber da liegt die langfristige Zukunft. In wie vielen Ländern sind Sie aktuell? Ich glaube 63. Davon machen 20 die Musik. Für uns sehr groß ist Spanien, wohin wir 700.000 Kisten Salitos liefern. In Australien sind es im Jahr ein paar Container Morelli-Wasser - das müssten ein paar Hundert sein. In Südafrika sind wir mit Salitos und Scavi & Ray. Die USA haben wir noch gar nicht. Da sind überall Riesenpotenziale. Losgegangen ist alles 1993, als Sie mit Kofferraumverkäufen gestartet sind. Sie haben mit Sol-Bier beliefert. Etwas später kam ihr noch heutiger Unternehmenspartner Peter Jürgens, wie Sie Bänker, hinzu. Zwei Jahre später hatten Sie schon den Bundesvertrieb für Miller Beer. Wie war das genau? Es fing ganz einfach so an, dass ich meinem Golf Moda vollgepackt habe mit Bierkisten, und vor allem Richtung Ruhrgebiet gefahren bin. Dann kam glücklicherweise der Verleger Frank Epping - heute Cup & Cino - aus Hövelhof. Der sagte: „Mensch was machst du da? Bist du sicher, dass du Bier ausliefern willst? Was ist mit Lagerhaltung?“ Es war zugleich die Endphase meiner Ausbildung bei der Volksbank Paderborn. Und mit dem Ende der Lehre gründete ich die Firma POS, aus der später MBG wurde. Mengenmäßig ist Effect mit 250 bis 280 Millionen verkauften Dosen im Jahr ihr wichtigstes Produkt. Damit liegen Sie im Bereich der Energydrinks auf Rang 4 hinter Red Bull, Coca Cola mit Monster und Pepsi mit Rockstar. Drei Global Player gegen den David aus Paderborn. Es gibt aber eine schöne Parallele zu Red Bull. Der Herr Mateschitz hat ja 1984 angefangen, da war das Getränk in Asien schon 30 Jahre alt. Aber nehmen wir nur den europäischen Start. Nach 20 Jahren war er fast genauso groß wie wir mit Effect heute. Jetzt könnte man sagen: Andreas, ist MBG dann nach 40 Jahren genauso groß wie Red Bull heute? Nein, das sage ich nicht. Aber wenn wir unseren Weg weiter gehen, sind wir 2045 sicher bei einer Dosenzahl und einem Umsatz im Milliardenbereich. Ist Sportsponsoring für Sie ein Thema? Ja, wir werden uns jetzt Sportarten aussuchen. Aber niemals Formel 1, zumal Pepsi 2026 auch einsteigt. Was kann ich besser machen als die Red Buller in der Formel 1? Es gibt aber ein paar Sportarten, die Red Bull nicht besetzt, die cool, neu und jung sind. Wie die Kampfsportart MMA (Mixed Martial Arts). Dieser Markt ist krank. Und Darts? Das ist auch auf der Liste. Darts ist mega. Community cool, feiern, lustig sein. Wir schauen uns das gerade an und ob es besser ist, einen Sportler zu begleiten oder ein Turnier. Auch Padel finden wir spannend. Wer bei MBG arbeitet, kann das eigene Fitnessstudio oder Solarium nutzen, sich eine Maniküre oder Pediküre machen lassen. Sie sprechen von Work-Life-Blending, dem Verschmelzen von Arbeit und Freizeit. Wir tun viel für unser Team. Aber, und ich vorneweg, wir erwarten auch echt Leistung. Und ist es schlimm, wenn ich zu einer Messe in Dubai, die montags anfängt, nicht erst sonntags, sondern schon freitags fliege? Ich lege mich vorher schön an den Pool und komme am Montag braun gebrannt auf die Messe. Ich habe also die Pflicht mit einer kleinen Annehmlichkeit verbunden. Und das steht allen Mitarbeitern frei. Oder wir besuchen eine Ambiente-Messe: „Nimm doch deine Frau mit. Geh mit ihr auf die Messe, bleibt das Wochenende in Frankfurt.“ Ob wir jetzt ein Bett bezahlen oder zwei. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Andreas W Herb (@andreaswherb) Sie betonen immer, ihren Job zu lieben. Sie haben damit aber auch ein Vermögen gemacht, das auf 500 Millionen Euro geschätzt wird. Das ist Quatsch. Die Frage ist: Was ist der Buchwert und der reale Wert auf dem Festgeldkonto? Was rechne ich mit? Würde ich Scavi & Ray als Marke heute verkaufen, würde man dafür wahrscheinlich, 180 bis 200 Millionen kriegen. Und für Effect wahrscheinlich auch. Fakt ist: Ich bin wirtschaftlich kerngesund und es ist immer noch ein Euro da, um im Marktkauf meinen Wagen vollzumachen. Wie entspannen Sie denn und was machen Sie in Ihrer Freizeit? Badewanne, Sauna, die Welt beobachten und ein bisschen Sport - aber zu wenig. Sie sind viel in der ganzen Welt unterwegs. Welche Trends sehen Sie im Gastro-Bereich und was würde Sie für Paderborn reizen? Ich glaube, dass in Paderborn ein Dine-and-Dance-Konzept fehlt. Da gibt es etwa Zuma, ein Asian-Steak-Fusion-Restaurant. Oder Sirene Beach Club oder Gaia Beach Club - das sind trotz des Namens Restaurants. Man geht schön essen, die Musik entwickelt sich über den Abend auf 65 bis 70 Dezibel. Das Knie fängt an zu wippen, man kriegt gute Laune. Irgendwann wird die Musik lauter und vielleicht kommt Stimmung auf, dass man am Tisch tanzt. Dann gibt es griechische Konzepte: ein bisschen rustikaler und da werden dann auch schon mal Gipsteller auf den Boden geschmissen. Doch da kommen auch schnell Regularien der Stadt ins Spiel und Lärmbelästigung. Ob es diese Konzepte hier irgendwann geben kann, ist fragwürdig. Genauso wie Außengastronomie immer schwieriger wird. Werden Zeiten nicht eingehalten, wird selbst zu Libori gemeckert. Wenn so etwas in Paderborn noch fünf Jahre weiter geht, werden alle jungen Menschen abhauen. Wo sollen sie denn auch hin? Das Ausgehprogramm ist eine Katastrophe.