ICE-Strecke Hannover-Bielefeld: Sind halb-unterirdische Röhren die Lösung?

Bielefeld/Herford. Seit 2020 läuft die Planung des Bundes für eine Ertüchtigung der Bahnstrecke zwischen Bielefeld und Hannover. Das milliardenschwere Projekt spaltet seither die Gemüter in Ostwestfalen-Lippe und darüber hinaus. Umstritten ist vor allem die Zielvorgabe des Bundes, dass eine neu zu bauende, auch für Güterzüge taugliche, doppelgleisige Bahntrasse gewährleisten soll, dass ICE-Züge künftig mit bis zu 300 km/h zwischen beiden Städten unterwegs sein sollen. So sollen die Vorgaben des Deutschlandtaktes erfüllt werden. Die Fahrzeit zwischen Hannover und Bielefeld würde von 49 auf 31 Minuten verkürzt. Vor allem aber: So sollen Nah- und Fernverkehr mehr Gleiskapazitäten und zuverlässigere Umsteigemöglichkeiten erhalten.

Zu teuer und vor allem: zu viele Eingriffe in die Natur, sagen Gegner des Projektes, die jüngst bundesweit 38.000 Unterschriften für eine Petition sammelten, die sich gegen eine Neubautrasse und für eine Neuberechnung des Deutschlandtakts sowie einen Ausbau der Bestandstrasse stark macht. Sie wurde von der in Vlotho ansässigen Initiative Widuland und den hiesigen Landfrauen initiiert und hat nun zur Folge, dass das Bauprojekt wohl erneut im Bundestag beraten werden muss.

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Um diesen Konflikt aufzulösen, haben Ingenieure aus Ostwestfalen-Lippe eine neuartige Baustrategie vorgelegt, die die Akzeptanz neuer Bahnstrecken positiv beeinflussen soll. Es heißt auf Englisch &bdquo;Low Impact Railway System“ und verlegt Trassenabschnitte in halb-unterirdische Röhrensysteme. &bdquo;Wenn von einer lauten Trasse mit hässlicher Lärmschutzwand ,in my backyard’ eine grüne Hügelkette übrig bleibt, ist der Konflikt doch wesentlich entschärft“, ist der Paderborner Experte Johannes Lackmann sicher.

Neues Bauverfahren greift nur geringfügig in Landschaft ein &bdquo;Bauzeiten und Kosten können durch die ressourcenschonende Bauweise deutlich gesenkt werden“, fügt Lackmann hinzu, der zu den Experten des VDI OWL gehört, die das neuartige Bausystem auf dem Deutschen Ingenieurtag des VDI e.V. einem breiten Fachpublikum vorgestellt haben.

Das Prinzip des neuen Ansatzes: Das Low Impact Railway System (LIR) verlegt Streckenabschnitte in halb unterirdische Röhren. Diese Bahntrassen &bdquo;greifen dabei nur geringfügig in die Landschaft ein und eignen sich somit für den Streckenbau in besiedelten Gebieten“, betont Lackmann. &bdquo;Nach Fertigstellung sind sie weder zu sehen noch zu hören.“ Die leichten Erhöhungen, die durch Röhrensysteme in der Landschaft entstehen, könnten renaturiert oder mit Wegesystemen bebaut werden. Die Erhebungen des LIR könnten zudem bebaut werden.

Innovatives Konzept bietet erheblichen Kostenvorteil Besonders eklatant ist laut Lackmann der Kostenvorteil des LIR. &bdquo;Die Baukosten liegen lediglich bei rund einem Zehntel der konventionellen Tunnelbauweise.“ Während herkömmliche Tunnel mit etwa 100.000 Euro pro Meter Zusatzkosten zu Buche schlügen, koste ein Meter Tunnel nach der LIR-Methode nur rund 11.000 Euro mehr als ungeschützte Gleisanlagen.

Im Mittelpunkt stehe die vier Meter tiefe und maximal 17 Meter breite Baugrube. &bdquo;Dort werden die Gleise verlegt.“ Mutter- und Unterboden werden bei den Grubenarbeiten voneinander getrennt an den Rändern des Aushubs verteilt. Lackmann: &bdquo;Somit entstehen keine Kosten für den Abtransport.“ Die Erdmassen würden zudem nach Beendigung der Bauarbeiten vor Ort wiederverwendet für die Bedeckung des Röhrensystems.

Im Video: Das Low Impact Railway System Nach der Gleisverlegung erfolge die Einkapselung der Bahnlinie durch Beton-Halbbögen, die mit Haltevorrichtungen für Oberspannungsleitungen ausgestattet seien. &bdquo;Diese Komponenten montiert ein Spezial-Roboter von den Gleisen aus“, beschreibt Lackmann. Durch die Nutzung der neu verlegten Gleise würden keine weiteren Baufelder im Umfeld benötigt. Sei ein Bauabschnitt fertiggestellt, verteilten Bagger die ausgehobenen Erden auf den Betonbögen. &bdquo;Es entsteht eine etwa 30 Meter breite Erhebung mit dreieinhalb Metern Höhe.“

Ein Ansatz, der keine Seite zum Verlierer machen soll Lackmann ist es ein Anliegen, dass in die Debatte um die Bahntrasse Bewegung kommt. Er sagt gegenüber dieser Redaktion: &bdquo;Ein halbstündiger, schneller Bahntakt zum Wirtschaftsraum Hannover und zur Hauptstadt Berlin wäre ein großer Gewinn für Bielefeld und ganz OWL.“ Ein Halbstundentakt mit ICE in Richtung Düsseldorf und Köln sei ebenfalls wertvoll. &bdquo;Daher haben sich die IHK Bielefeld und die Stadt Bielefeld für die Trasse ausgesprochen.“

Ziel des Vorstoßes sei es, einen Ansatz vorzulegen, der keine Seite zum Verlierer mache. Denn es brauche eine Lösung für die stetig steigenden Mobilitätsbedürfnisse. &bdquo;Wir erleben heute schon eine überlastete, sechsspurige A 2“, so Lackmann. Das gelte genauso für die Bahnachse Paris – Warschau. &bdquo;Eine Neubaustrecke für ICE schafft mehr Platz für den Güterverkehr auf der vorhandenen Trasse. Wenn das nicht kommt, werden wir künftig über eine achtspurige A2 reden müssen, mit allen Folgen für Landschaftsverbrauch und höhere Emissionen durch noch mehr Lkw“.

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