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Ausgerechnet AfD: Zuwanderer sind bei der Wahl der Integrationsräte in die Falle getappt

Andrea Rolfes

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Teilnehmer einer Diskussionsrunde zur Integrationspolitik tragen T-Shirts mit der Botschaft "Ich habe eine Stimme". - © SANDRA SANCHEZ
Teilnehmer einer Diskussionsrunde zur Integrationspolitik tragen T-Shirts mit der Botschaft "Ich habe eine Stimme". (© SANDRA SANCHEZ)

Bielefeld. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Paradox: Menschen mit eigener Zuwanderungsgeschichte, oft selbst von Rassismus betroffen, machen bei Integrationsratswahlen ihr Kreuz bei einer Partei, die sich programmatisch gegen Migration stellt. In Städten wie Paderborn oder Detmold wird die AfD ausgerechnet dort stärkste Kraft, wo nur Menschen mit Migrationshintergrund wahlberechtigt sind. Das irritiert. Aber nur auf den ersten Blick.

Wer genau hinsieht, erkennt: Die Wahlentscheidung ist weniger irrational, als es scheint. Viele Zugewanderte leben in Stadtteilen, in denen sich soziale Probleme ballen: überfüllte Schulen, mangelnde Sprachförderung, Wohnungsnot, Angst vor Kriminalität. Wer im Alltag Unsicherheit erlebt, reagiert auf die einfachen Antworten der AfD.

In manchen Kulturgruppen, besonders bei Spätaussiedlern oder Aramäern, aber auch bei türkischstämmigen Wählern, die Erdogan politisch nahestehen, herrscht ein konservatives Wertebild vor. Dort stößt die AfD mit ihrem Ruf nach Ordnung, Autorität und traditionellen Familienstrukturen auf viel Zustimmung. Viele fühlen sich von den etablierten Parteien im Stich gelassen. Wenn Versprechen auf bessere Integration oder sichere Viertel nicht eingelöst werden, wendet man sich der lautesten Proteststimme zu.

Falle für Menschen mit Migrationsgeschichte

Doch das ist für viele Menschen mit Migrationsgeschichte eine Falle. Viele von ihnen, die AfD wählen, schaden sich selbst. Das Programm der Partei spricht eine klare Sprache: Darin ist von der Einschränkung der doppelten Staatsbürgerschaft die Rede, Rückkehrprogramme für Migranten und eine deutliche Reduzierung von Einbürgerungen sollen umgesetzt werden.

Leistungen für Zugewanderte sollen gekürzt und Integration nur nach Leistung bewertet werden. Kurz gesagt: Viele, die AfD wählen, wären nach den eigenen politischen Plänen dieser Partei Bürger zweiter Klasse.

Warum die AfD so viel Energie in die Integrationsräte investiert

Das beantwortet aber noch nicht die Frage, warum die AfD überhaupt Interesse an den Integrationsräten hat. Die Integrationsräte selbst sind beratende Gremien, ohne echte Entscheidungsgewalt. Warum also investiert die AfD dort so viel Energie?

In den Integrationsräten sitzen die, die eigentlich für bessere Integration arbeiten sollen. Wenn dort AfD-Vertreter auftreten, könnten sie Debatten verschieben und mit Störeffekten die Spaltung der Gesellschaft noch mehr befeuert.

Der Schluss ist unbequem, aber klar: Die AfD profitiert von Frust, Unsicherheit und patriarchalen Denkmustern. Wer sie wählt, schlägt allerdings oftmals die Tür zur eigenen Zukunft zu. Aufgabe der demokratischen Parteien muss es sein, genau das sichtbar zu machen und Politik zu machen, die Probleme im Alltag der Menschen löst.

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