Bielefelder City verwandelt sich nachts in ein Matratzenlager

Bielefeld. Gestrandet in Bielefeld: Eine größere Gruppe rumänischer Mitbürger gehört seit ein paar Wochen zum Bild der Bahnhofstraße. Tagsüber sitzen die Gäste auf dem Boden verteilt entlang der Fassade von Sinn auf der einen und Peek & Cloppenburg auf der anderen Seite und bitten um Gaben: &bdquo;Fur Essen Danke“ steht unisono auf den geknickten Pappschildern zu ihren Füßen. Daneben ruhen die leeren Kaffeebecher für Münzspenden.

Wenn sich die Fußgängerzone nach Ladenschluss leert, schnüren einige der Besucher ihre aufgerollten Schaumstoffmatratzen von den mitgebrachten Kinderwagen oder Shoppern und bereiten in den geschützten Eingängen der Kaufhäuser ihre Lager für die Nacht. Wie Nelay Costica.

Bielefeld sei gut für Essen, erklärt der kräftige Mann auf gebrochenem Englisch. Zusammen mit seiner Begleiterin hat er sich für die Mittwochnacht im Haupteingang des Modehauses P&C auf einer Matratze eingerichtet. Milde Temperaturen und anhaltende Trockenheit kommen den Campierenden entgegen. Die Gruppe, alles Familie, sagt Costica, sammle eigentlich Geld für die Heimreise. Das sei aber schwierig. Genauso wie die Konversation. Weshalb sich nicht klären ließ, was die Gruppe nach Bielefeld verschlagen hat.

Menschen mit fragwürdigen Versprechen nach Deutschland gelockt Das sagen Sozialamt und Ordnungsamt zur gegenwärtigen Situation: &bdquo;In der Tat hat die Zahl der Bettlerinnen und Bettler zugenommen. Die Gründe sind vielfältig: größere finanzielle Not, der schnellere Verlust der eigenen Wohnung auf einem sehr engen Wohnungsmarkt oder Suchtprobleme. Die Streetwork berichtet zudem, dass zum Teil Menschen auch aus anderen EU-Ländern mit fragwürdigen Versprechen – in Bezug auf die Erwerbschancen – nach Deutschland gelockt werden.“

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Erntehelfer auf Spargelfeldern, Erntehelfer auf Erdbeerplantagen: Gegenwärtig begegnen einem am Abend in den Discountern häufig kleine Gruppen, die sich in fremder Sprache unterhalten, Lebensmittel aufs Band legen und die Rechnung mit Euroscheinen begleichen. Einige Kunden bringen aber auch Handflächen-füllende Münzsammlungen mit hohem Kupferanteil zum Vorschein und zahlen in harter Währung.

&bdquo;Konkrete Erkenntnisse über organisierte Bettelei liegen dem Ordnungsamt nicht vor“, teilte die Behörde mit. Das Betteln sei grundsätzlich erlaubt. Allerdings sei das sogenannte aggressive oder aufdringliche Betteln, beispielsweise durch Anfassen, Festhalten, Versperren des Weges, aufdringliches Ansprechen, Errichten von Hindernissen, bedrängende Verfolgung verboten. Bei aggressivem Betteln schreite das Ordnungsamt ein, heißt es weiter von der Behörde. Die Leute seien ganz friedlich, versichert Jan.

Keine Konkurrenz für die Bielefelder Bettler mit Heimvorteil Der stadtbekannte blonde Hüne dreht seine Becher-Pirouetten traditionell auf der zentralen Wege-Kreuzung von Bahnhofstraße und Stresemannstraße und wünscht dabei allen Passanten einen schönen Tag, ob sie nun Kleingeld klimpern lassen oder auch nicht. Die Neuen seien keine Konkurrenz, erklärt er. Was die aber für eine Show in der Fußgängerzone abzögen, so seine Worte, das wisse er nicht und es interessiere ihn auch nicht weiter: einfach leben und leben lassen. Auch die Mitarbeitenden des frühmorgendlichen City-Kehrkommandos vom Umweltbetrieb beobachten eine Zunahme an Übernachtenden. Und loben die Gäste aus Südost-Europa: Die Schlafplätze seien nach dem Verlassen immer aufgeräumt, an den Plätzen in der Fußgängerzone läge kein Müll.

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Da es sich bei der Fußgängerzone rund um die Bahnhofstraße um eine sogenannte Verkehrsfläche handle, gelten dort die Regeln der &bdquo;ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ (OBVO), teilte das Ordnungsamt mit. Unter dem Paragraf 2 der OBVO sind die Verbote Punkt für Punkt geregelt. So untersagt der Punkt 1b aggressives oder aufdringliches Betteln. Unter Punkt 1c steht das Übernachten – nicht erlaubt auf den Verkehrsflächen der Stadt. Wobei es an der Stelle tricky wird – denn Geschäftseingänge sind oftmals Privatflächen und da regiert das Hausrecht der Unternehmen.

&bdquo; Die Einhaltung der Regeln wird von der Stadtwache und auch vom Kommunalen Ordnungsdienst überwacht“, heißt es aus dem Ordnungsamt. Und Mittwochnacht rollt auch ein Streifenwagen der Polizei langsam durch die Bahnhofstraße. Die Beamten schauen auf ihrer automobilen Runde durch die Fenster nach dem Rechten und verschwinden wieder aus dem Blickfeld von Nelay Costica und seinen Begleitern. Und falls es ihnen wirklich ernst ist mit der Heimreise, könnte ihnen die Verwaltung sogar helfen: &bdquo; Alle Träger der aufsuchenden Sozialarbeit arbeiten in Bielefeld sehr gut zusammen. Durch diese Zusammenarbeit können wir eine passgenaue Hilfe anbieten und gemeinsam effektiv auf die Bedürfnisse der Menschen im öffentlichen Raum eingehen. Zu diesen passgenauen Hilfen gehören auch Rückkehrhilfen in die Herkunftsstadt oder das Herkunftsland“, heißt es aus dem Sozialamt.

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