Andrej Kogut: „Der Pokalsieg war nicht nur Glück“

Lemgo. 2009 ist er Junioren-Weltmeister geworden. Doch das war kein Vergleich zum DHB-Pokalsieg, den Andrej Kogut am 4. Juni als erster Lemgoer in die Höhe strecken durfte. Als Spielführer des TBV Lemgo Lippe gebührt ihm nun das Privileg des ersten Interviews vor der neuen Bundesligasaison.

Wie hoch liegt nach dem DHB-Pokalsieg in diesem Jahr die Messlatte beim TBV?

Andrej Kogut: Die Erwartungen von außen sind vermutlich etwas gestiegen. Doch unsere Zielsetzung ist ähnlich wie in der vergangenen Saison, wobei in diesem Jahr nun noch der Europapokal dazukommt. Oder auch der Supercup, wo wir sofort im Finale stehen...

Ihre Schulter scheint nach zwei Operationen wieder zu funktionieren. Sie &bdquo;laden durch".

Andrej Kogut: Doch das ist leider ein ganz schmaler Grat. Zur Zeit ist alles in Ordnung. Körperlich fühle ich mich gut und habe die Vorbereitung ohne Probleme verkraftet. Aber ich weiß, dass es schnell wieder schlechter werden kann. Ich muss halt in mich reinhorchen. Wenn ich merke, dass es schlechter wird, muss ich mich etwas zurücknehmen.

Wird der TBV nach dem grandiosen Pokalsieg inzwischen anders wahrgenommen?

Andrej Kogut: Ja, ein Stück weit haben wir uns damit selbst eine Bürde gesetzt. Darum müssen wir immer auch wie ein Pokalsieger auftreten und beweisen, dass das nicht nur Glück war, sondern auch auf Qualität zurückzuführen ist. Wir haben in der vergangenen Saison gezeigt, dass wir auch Verletzungen trotzen können. Wenn wir an unseren Sachen festhalten, können wir jeden ärgern. Doch dazu muss jeder Spieler mitziehen und ein wichtiger Zacken im Zahnrad sein.

Haben Sie den Pokalsieg als Entschädigung für ihre eigene lange Leidenszeit mit zwei Schulter-Operationen wahrgenommen?

Andrej Kogut: Das Final-Four war exakt zwei Jahre nach meiner zweiten Schulter-OP. Wenn mir damals einer gesagt hätte, dass ich damit noch mal den DHB-Pokal in die Luft strecken werde, hätte ich das nicht für möglich gehalten. Mein größter Erfolg war damals, dass ich mit rechts meine Zähne putzen konnte. Richtig schlafen war damals auch nicht drin. Es war sehr nervig und ein langer Leidensweg. Umso mehr freut es mich, dass man weiter auf hohem Niveau spielen kann, wenn man viel Arbeit reinsteckt.

Inwieweit hat sich Handball durch Corona verändert?

Andrej Kogut: Wir mussten lernen, spontaner und flexibler zu sein. Zum Beispiel, wenn kurzfristig ein Spiel vorverlegt wurde und alle Pläne umgeworfen wurden. Es bringt nichts, sich zu beklagen. Man muss es hinnehmen und sich auf neue Begebenheiten einstellen. Besonders für die Trainer war das eine Riesenaufgabe und eine sehr anstrengende Saison. Wenn ich aktuell die Meldungen lese, spüre ich etwas Erleichterung, wenn von 3G oder 2G die Rede ist. Da kommt ganz langsam die Freude zurück. Es scheint echt danach auszusehen, dass endlich etwas Normalität zurückkehrt.

Als im Zuge der Pandemie über Gehaltsverzichte das Überleben des Vereins gesichert wurde, haben sie als Spielführer vom &bdquo;Vertrauen in die Geschäftsführung" gesprochen. Hat sich das bewahrheitet?

Andrej Kogut: Was uns versprochen wurde, ist eingehalten worden. Schade ist nur, dass wir die erfolgreichste Saison seit langem spielen und es sich nicht richtig auszahlt. Immerhin haben wir einen kleinen Obolus erhalten. Das Vertrauen wurde also nicht ausgenutzt. Doch monetär ist der Pokalsieg nicht aufzuwiegen. Aber es ist eine Genugtuung, trotz Verzicht etwas ganz Großes geleistet zu haben.

Wurde für die neue Runde schon eine Pokalprämie ausgehandelt?

Andrej Kogut: Das haben wir in der Vergangenheit nicht gemacht und jetzt auch nicht. Aber es gab einige private Gönner, die eine beträchtliche, fünfstellige Summe in die Mannschaftskasse gesteckt haben. Das war total unerwartet. Dafür sind wir alle sehr dankbar.

2022 laufen zahlreiche Verträge aus – auch ihrer. Birgt das nicht Potenzial für Unruhe?

Andrej Kogut: Es ist ja noch sehr früh in der Saison. Dass es den Vereinen kaum möglich ist, so früh in Gespräche zu gehen, ist den Spielern bewusst. Erst wenn es nach der Hinrunde noch so sein sollte, könnte das eventuell zu etwas Unruhe führen.

Sie spielen bereits seit 2015 für den TBV. Handelt es sich aktuell um den besten TBV-Jahrgang?

Andrej Kogut: Wenn Tim Suton gesund zurückkehrt, verfügen wir schon über eine ordentliche Qualität im Kader. Oftmals sind aber auch Spieler über sich hinausgewachsen, wenn andere verletzt waren. Bei Jonathan Carlsbog å rd, der einen riesigen Schritt gemacht hat, war das so. Die Aufgabe und Kunst liegt darin, daraus ein gutes System zu entwickeln, in das sich jeder einbringen kann und sich niemand zurückzieht.

Mit Dani Baijens und Alexander Reimann hat der TBV zwei echte Frohnaturen verloren. Wer rückt jetzt in die Rolle des Stimmungsmachers?

Andrej Kogut: So ähnliche Typen gibt es selten. Dani und Alex können wir nicht Eins-zu-Eins ersetzen. Das können wir nur im Kollektiv auffangen.

Als Kapitän sind Sie ja auch eine Art Integrationsbeauftragter. Mussten die neuen Spieler zum Einstand ein Lied singen?

Andrej Kogut: Nein. Bei uns mussten sie Lieder raten. Das haben wir gleich am ersten Vorbereitungswochenende beim Wasserskifahren gemacht.

Wie haben sich Kian Schwarzer und Lukas Hutecek eingefunden?

Andrej Kogut: Lukas merkt man an, dass er über mordsviel Potenzial verfügt. Doch man darf nicht vergessen, dass er erst Anfang 20 ist und die HBL etwas ganz anderes als die österreichische Liga darstellt. Doch er versteht das Spiel und verfügt über einen ordentlichen Armzug. Nicht ganz so leicht ist es, unser System in der Abwehr zu verstehen. Da muss halt jedes Ding sitzen. Hier muss er sich langsam reinfuchsen. Doch das geht nicht sofort. Das schafft höchsten ein Gedeon Guardiola. Aber einem so jungen Kerl müssen wir einfach die nötige Zeit geben. Kian Schwarzer hängt sich super rein. Er hat mit Bjarki Mar Elisson einen Top-Torschützen vor sich. Doch in den Testspielen hat Kian es sehr ordentlich gemacht. Wenn er gebraucht wird, muss er da sein. Der Sprung aus der 3. Liga ist natürlich enorm. Doch mit ,Flo hat er einen Trainer, der ihm noch viel beibringen kann. Er muss alles aufsaugen. Und so fleißig wie Kian und Lukas sind, werden sie auch die Früchte ernten.

Was wird den TBV-Jahrgang 2021/2022 auszeichnen?

Andrej Kogut: Ich hoffe, dass wir weiter eine gute Abwehr stellen, aus der wir ein ordentliches Tempospiel aufziehen können. Handball ist ein Fehlersport. Doch wenn man weiß, dass die Abwehr steht, fällt es leichter, einen Fehler auszumerzen.

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