Sechs Stunden bis zum Sieg: Dieser Sport fühlt sich für „Lucky“ nach Heimat an

Lemgo. Fußball genießt in Deutschland größte Popularität. Dass jedoch Cricket weltweit als Sportart Nummer zwei gilt, ist im Achtelfinale der Regionalliga NRW auf dem Vogelsang-Sportplatz nicht zu spüren. Das öffentliche Interesse am Spiel zwischen den Teams von TV/TBV Lemgo und den Grey Caps Aachen tendiert gen null.

Was die Spieler jedoch kaum stört. Sie sind froh, in Frieden und Freiheit ihre Lieblingssportart ausüben zu dürfen, die sie einst schon in ihren Heimatländern fasziniert hat. So wie Sulakshan Gananasekaram, der sich als &bdquo;Lucky" vorstellt und wirklich glücklich ausschaut, wenn er dem LZ-Reporter etwas Cricket-Nachhilfe erteilen kann.

Flucht aus Sri Lanka &bdquo;Ich bin schon mit elf Jahren mit Cricket angefangen", sagt &bdquo;Lucky", der inzwischen 40 Jahre alt ist. Wegen des Bürgerkrieges musste er seine Heimat Sri Lanka 2011 verlassen und landete in Lemgo. &bdquo;Mir war langweilig. Aber dann habe ich in der Zeitung gelesen, dass es in Lemgo ein Cricket-Angebot gibt. Das hat mich glücklich gemacht. Cricket fühlt sich etwas wie Heimat an", sagt &bdquo;Lucky", der das Treiben auf der Mitte des Feldes, der sogenannte Pitch, zunächst nur aus der Distanz verfolgt.

Cricket wird pro Mannschaft mit elf Spielern betrieben. &bdquo;Wir kommen aus Pakistan, Afghanistan, Indien oder Sri Lanka", berichtet &bdquo;Lucky", der im Klinikum in Lemgo arbeitet und prima Deutsch spricht. Während sein Team, das 2016 als Integrationsprojekt von den beiden Vereinen TV Lemgo und TBV Lemgo ins Leben gerufen wurde und von Stadt und Land unterstützt wird, gegen Aachen kämpft, schweifen &bdquo;Luckys" Gedanken zwischendurch etwas nach London ab.

Sri Lanka spielt in Old-Trafford Im Old-Trafford-Stadion duellieren sich mit England und Sri Lanka gerade zwei der besten Cricket-Nationen der Welt. Während sich dieser Fight über sechs Tage zieht, spielen die Lemgoer und Aachener in der 50-Over-Variante. Ein Over ist eine Spieleinheit und beinhaltet sechs Schläge. &bdquo;Unser Spiel dauert somit gut sechs Stunden", rechnet &bdquo;Lucky" vor und erklärt im Schnellverfahren die Basics: &bdquo;Der Werfer einer Mannschaft, der Bowler, versucht den Ball so zu werfen, dass der Schlagmann des anderen Teams, der Batsman, den Ball nicht trifft. Wenn es dem Batsman jedoch gelingt, den Ball ins Feld zu schlagen, erhält er sogenannte Runs, die zu Punkten führen können." Die Mitspieler des Werfers versuchen das jedoch zu verhinden, indem sie den Ball möglichst schnell zum Fänger zurückwerfen.

Deutschland in der Weltrangliste auf Rang 38 Klingt kompliziert. Vermutlich auch deshalb, weil Deutschland im Cricket noch Entwicklungsland ist. &bdquo;England und Holland sind in Europa führend. Deutschland liegt in der Weltrangliste ungefähr auf Platz 38", weiß &bdquo;Lucky".

In Asien und Ozeanien gilt die einst von den Briten in die Kolonien gebrachte Schlagsportart jedoch als Volkssport. Beim World-Cup im vergangenen Herbst in Ahmedabad in Indien verfolgten 130.000 Fans im Stadion das Duell zwischen dem Gastgeber und dem sechsfachen Weltmeister Australien. Und beim Match gegen den Erzrivalen Pakistan war der Andrang so groß, dass auswärtige Fans angesichts ausgebuchter Hotels in Ahmedabad Übernachtungen in Krankenhäusern buchten – Gesundheitschecks inklusive. Ein Hype, der in Deutschland, wo Cricket allenfalls im Internetstream zu sehen ist, undenkbar ist. Doch schon bald könnte das Interesse steigen. 2028 in Los Angeles wird Cricket nach 128 Jahren erstmals wieder ins Olympia-Programm aufgenommen.

Samstag im Viertelfinale gegen Bonn &bdquo;Lucky" und seine Lemgoer Mitspieler hoffen, dass sie ihre Sportart spätestens dann auch mal im deutschen Fernsehen verfolgen können. Es wäre ein Meilenstein – ähnlich wie ihr Einzug ins Viertelfinale der Regionalliga NRW. Dank Tahir Ahmad, der mit 62 Runs und 4 Wickets der &bdquo;Man of the match" wurde, siegte TV/TBV Lemgo gegen die Grey Caps Aachen nämlich mit 201/10:125/10. &bdquo;Das ist der bisher größte Erfolg unserer Mannschaft, zumal die Konkurrenz auch in Deutschland zugenommen hat", ist TBV-Vorsitzender Dr. Burkhard Pohl stolz auf die Lemgoer Jungs, die im Viertelfinale am Samstag, 14. September, ab 11 Uhr nun die Bonn Blue Stars United empfangen.

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