Tim Suton: "Ich habe weniger sinnfreie Masse drauf"

Lemgo . Vier Tore in Stuttgart, fünf Treffer gegen Essen und ein halbes Dutzend in Göppingen. Tim Suton kommt beim TBV Lemgo Lippe immer besser in Schwung. Zwischen November 2018 und Oktober 2019 musste er sich Eingriffen am linken Sprunggelenk, an der Leiste, der rechten Ferse und am Kreuzband unterziehen. Nach der Knie-OP kämpfte er sich vier Wochen lang in der Reha auf Schalke zurück, ehe er in der Reha Lemgo die Wettkampftauglichkeit erlangte.

Mit 57 Prozent haben Ihre Mitspieler Sie im TBV-Echo zum Fitnessjunkie erklärt. Wie ist diese absolute Mehrheit zu interpretieren?

Tim Suton : Krafttraining ist halt mein erstes Hobby. Das war zwar schon immer so, doch durch meine Verletzungen trainiere ich im Buena Vista nun noch etwas ausgeprägter mit Lang- oder Kurzhanteln.

Zwischen November 2018 und Oktober 2019 mussten sie drei Eingriffe über sich ergehen lassen. Zuletzt am Kreuzband. Inwieweit haben Sie sich dadurch verändert?

Suton : Das war eine lange Zeit. Doch sie hat dazu beigetragen, dass ich körperlich auf ein anderes Level gekommen bin.

Optisch wirken Sie drahtiger...

Suton : Ja, ich habe weniger sinnfreie Masse drauf. Vor zwei Jahren war ich auch sehr fit. Dann kamen die Fußprobleme, ist konnte nicht mehr zusätzlich laufen und musste phasenweise weniger trainieren. Ein schleichender Prozess. Jetzt ist die Explosivität wieder da. Ich muss sie nur umsetzen.

Haben Sie auch Ihre Ernährung umgestellt?

Suton : Als Sportler muss ich nicht komplett jedes Gramm Fett verbrennen. Aber ein bisschen bewusster essen schadet nicht. Mit noch mehr Eiweiß, gesundem Fleisch und Gemüse. Aber ein bestimmtes Konzept verfolge ich nicht.

Beiratsvorsitzender Herbert Vogel meint, dass Sie bereits wieder bei 100 Prozent sind. Wie fühlen Sie sich selber?

Suton : Was Gesundheit- und Fitnesswerte angeht, bin ich bei 100 Prozent. Meine Füße, die Sprunggelenke und Ferse merke ich manchmal noch ein bisschen. Das Knie macht keinerlei Probleme. Ich spüre, dass ich wieder voll drin bin. Vom spielerischen Niveau würde ich auf 90 Prozent tippen. Es sieht schon ganz gut aus.

Stimmt. Die Leistung in Göppingen war vielversprechend. War Ihnen eigentlich bewusst, dass der TBV bei einem Sieg als Tabellenführer nach Hause gefahren wäre?

Suton : Da wir auf Sicht wohl nicht um die Spitze mitspielen werden, ist das egal. Schade war jedoch, dass wir unseren Vorsprung nicht über die Zeit gebracht haben. Dadurch, dass wir einen Punkt mitgenommen haben, ist das aber ein guter Saisonstart.

Jetzt folgt ein trüber Monat ohne Zuschauer. Wie sehr vermissen Sie als Spieler die Fans?

Suton : Es macht einfach nicht so viel Spaß. Ich kenne keinen Spieler in der Bundesliga, dem das egal wäre. Doch die Zuschauer sitzen jetzt zuhause vorm Fernseher. Dafür müssen wir genauso Gas geben. Es ist ein schwieriges Jahr, das wir alle zusammen überstehen müssen.

Der TBV ruft für die Geisterspiele zu selbstgebastelten Bannern auf und blendet Videobotschaften ein. Wird das von den Spielern wahrgenommen?

Suton : Während des Spiels nicht. Doch beim Aufwärmen haben wir das sehr wohl registriert. Bei den Videos waren ja ein paar schöne Sachen dabei. Doch besser oder schlechter spielen wir dadurch nicht.

Was ist sportlich vom November zu erwarten mit Geister-Heimspielen gegen Balingen und Erlangen, sowie Auswärtspartien bei den Löwen und in Leipzig?

Suton : Das wird ganz spannend. Erster Eckpfeiler ist HBW Balingen-W. Wenn wir da die Punkte holen, geht es mit Selbstvertrauen zu den Löwen, die ich aber nicht so anfällig wie im Vorjahr halte. Es ist ein bisschen das Gegenteil vom Startprogramm, wo wir gewinnen mussten. Jetzt kommen Spiele auf Augenhöhe, in denen sich zeigt, wohin der Weg führt.

Sie tauchen inzwischen wieder im erweiterten Kader der Nationalmannschaft auf. Haben Sie schon mal mit Alfred Gislason gesprochen?

Suton : Als Reserve sehe ich das nicht, eher als internationale Meldeliste. Das eigentliche Aufgebot umfasst 21 Mann. Da kann ein Ausfall intern aufgefangen werden. Mit dem Bundestrainer hat es noch kein Gespräch gegeben. In naher Zukunft wird das auch kein riesen Thema werden. Irgendwann aber wäre es gut zu wissen, wo ich ansetzen muss.

Corona stellt alles auf den Kopf. Verspüren Sie dadurch auch einen psychischen Druck?

Suton : Der Druck besteht insofern, als dass man nicht weiß, wie es weitergeht. Jedem Spieler ist klar, dass die Vereine Probleme bekommen können. Doch der Gehaltsverzicht dokumentiert: Wir stehen alle zusammen. Jeder macht mit, damit es weitergeht.

Im Deutschlandfunk hat der Psychologe Andreas Kappes von der University of London gesagt, dass Sportler besonders optimistisch und ein starkes Gefühl der Unverwundbarkeit und Unverletzlichkeit haben. Können Sie das bestätigen?

Suton : Puh, das ist ein schwieriges Thema. Es ist jetzt eine spezielle Zeit mit besonderen Umständen. Da ist alles nicht so einfach.

Es schadet vermutlich nicht, wenn man als Profi in Coronazeiten an mehr als nur an Sport denkt, oder?

Suton : Ich habe schon immer etwas zweigleisig gedacht und befinde mich derzeit in der Findungsphase. Meine Journalismus-Überlegungen ruhen gerade. Aktuell mache ich mir lose Gedanken über Lizenzen in der Gesundheits- und Fitnessbranche. Irgendwas möchte ich neben dem Handball machen. Eigentlich habe ich ja noch Zeit. Doch Verletzungen können die Pläne beschleunigen. Aber Stress mache ich mir deswegen nicht.

Persönlich

Tim Suton war 2017/2018 mit 121 Treffern bester Feldtorschütze des TBV und schaffte den Sprung in die Nationalmannschaft, in der er es bis heute auf 14 Länderspiele bringt. Der 24-jährige Allrounder wurde in Kirchheim unter Teck geboren, lebte bis zu seinem sechsten Lebensjahr jedoch in Kroatien. Bereits mit 16 Jahren debütierte er bei der HG Saarlouis in der 2. Liga. 2014 wurde er als bester deutscher Nachwuchsspieler mit dem Erhard-Wunderlich-Gedächtnispreis ausgezeichnet.

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