Augustdorfer Kämmerer wünscht sich mehr Finanzverantwortung auf kommunaler Ebene

Augustdorf. Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst und der Aufschlag auf die Kreisumlage reißen ein Loch in die Kasse. Corona- und Kriegsfolgekosten dürfen auf der anderen Seite nicht mehr isoliert werden. Das bringt sogar große, finanzstarke Städte in die Bredouille. Wie sieht es da in kleinen lippischen Gemeinden wie Augustdorf aus? Die LZ sprach mit Kämmerer Patrick Herrmann.

Das Tückische an der Arbeit eines Kämmerers ist, dass er mit vielen Annahmen kalkulieren muss - beispielsweise der zu erwartenden Wirtschaftsleistung der Augustdorfer Firmen. Denn die bestimmt die Höhe der Gewerbesteuer, mit der er als Einnahme rechnen kann. Eine weitere Form der Einnahme sind die Schlüsselzuweisungen des Landes. Von ihnen bekommt die Kommune oft wenig, wenn sie sie besonders gut gebrauchen könnte, denn sie berechnen sich nach der Einnahmesituation des Vorjahres. Wenn da beispielsweise die Gewerbesteuer sprudelte, gibt es im Folgejahr weniger Geld vom Land - auch wenn dann vielleicht gerade wieder Ebbe bei der Gewerbesteuer herrscht. Das berücksichtigt das Land erst wieder im Folgejahr und lässt dann wieder mehr Geld springen.

Mehr Gewerbesteuer als geplant Bei der laufenden Haushaltsentwicklung geht Kämmerer Patrick Herrmann von einer leichten Verbesserung gegenüber seiner Prognose aus. Konkret liegt Augustdorf derzeit schon bei 8,3 Millionen Euro Gewerbesteuer, obwohl für das gesamte Jahr 2023 nur mit 7 Millionen gerechnet worden war. "Wir hatten in den vergangenen Jahren in Augustdorf ein Wachstum über dem Durchschnitt. Deshalb gab es aber auch weniger Schlüsselzuweisungen vom Land." 2024 werde sich das alles negativ summieren, vermutet der Kämmerer: Niedrigere Gewerbesteuereinnahmen, eine hohe Inflation und niedrige Schlüsselzuweisungen von Land.

Auch der erfolgreiche Kampf der Gewerkschaft für höhere Gehälter im öffentlichen Dienst, der viele Kommunen derzeit stöhnen lässt, macht Augustdorf derzeit noch keine Sorgen. "In diesem Jahr bedeutet er sogar eine Verbesserung des Ergebnisses, denn die vereinbarte Inflationsausgleichsprämie kann ich als Corona- und Kriegsfolgekosten isolieren", erklärt Herrmann. Ein Gesetz erlaubte bisher Kommunen, diese Kosten beim Haushaltsabschluss zu ignorieren. Ab 2026 sollten sie dann über 50 Jahre abschreibbar sein. "Und ansonsten sieht der Tarifabschluss dieses Jahr eine Nullrunde vor. Eigentlich hatte ich fünf Prozent Steigerung eingeplant." 2024 werden die höheren Gehälter den Haushalt aber wohl mit 200.000 Euro Mehrkosten belasten, denn ob dann eine weitere Isolierung unter dem Corona- und Ukrainekrieg-Etikett möglich sein wird, ist mehr als fraglich. Insgesamt rechnet Herrmann für 2024 mit einer Haushaltsverschlechterung in Höhe von 1,3 Millionen Euro.

Keine kommunalen Grundstücksverkäufe Ein finanzielles Polster aus Grundstücksverkäufen wie Horn-Bad Meinberg kann sich die Gemeinde nicht aufbauen. "Wir haben haben ja keine kommunalen Grundstücksverkäufe. Das ist langfristig ein großer strategischer Fehler, aber der liegt 30 Jahre in der Vergangenheit", sagt Herrmann. Künftig sollte die Gemeinde versuchen, bei Grundstücksverkäufen als Zwischenhändler aufzutreten. Dazu gebe es auch einen entsprechenden politischen Beschluss aus dem Jahr 2018.

Geplant hatte der Kämmerer für 2023 mit einem Defizit von 1,9 Millionen Euro. "Es wird wohl ein Defizit bleiben, aber die Ausgleichsrücklagen werden geschont." Die betrug Ende 2022 5,7 Millionen Euro. Ist die Ausgleichsrücklage aufgebraucht, landet die Kommune in der Haushaltssicherung - wo Augustdorf von 2010 bis 2022 war. "Wir sind wohl die lippische Kommune, die am längsten in der Haushaltssicherung war. Wir sind das hier schon gewohnt, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen." Dann kontrolliert die Kommunalaufsicht alle Ausgaben, was den Handlungsspielraum der Politik reduziert. "Ich bin vor diesem Hintergrund wirklich gespannt auf das Kommunalwahljahr 2025", sagt Herrmann.

Geringe Höhe von Kassenkrediten Ein großer Vorteil sei, dass man in Augustdorf in der Vergangenheit die Kassenkredite - quasi den Dispo der Kommune - habe herunterfahren können. "Wir sind mit einem Liquiditätsüberschuss gestartet." 1,5 Millionen Euro habe man sich noch zu null Prozent Zinsen leihen können. "Die müssen wir erst in acht Jahren zurückgezahlt haben. Das hilft nun natürlich, wenn die Zinsen bei drei oder vier Prozent liegen."

Mittelfristig sehen Herrmanns Prognosen eher düster aus. "Allein durch die höhere Kreisumlage erwächst ein deutliches Haushaltsrisiko." Die wegfallenden Isolierungsmöglichkeiten von Corona- und Kriegsfolgekosten würden durch die geplante Altschuldenregelung im Gemeindefinanzierungsgesetz nicht ausgeglichen, weil den Kommunen dabei vor allem mit Liquiditätskrediten geholfen werde, die man ja in Augustdorf schon in der Vergangenheit gut abgebaut hatte. "Uns fehlen Millionenbeträge, die man nicht allein über die Grundsteuer ausgleichen kann. Schließlich müssen wir als Kommune auch schauen, welche Belastung in der Bevölkerung überhaupt möglich ist."

Immer mehr Aufgaben landeten bei den Kommunen. Dabei gebe es Aufgabenbereiche, die sinnvoller auf Kreisebene oder höher erledigt werden könnten, weil sie für alle Kommunen gleich seien und ein größeres Team sie effizienter lösen könne. "Gleichzeitig bekommen wir immer mehr Geld nur noch zweckgebunden. Ich hätte gerne wieder ein bisschen mehr Finanzverantwortung auf die kommunale Ebene übertragen", sagt Herrmann.

Augustdorfer Kämmerer wünscht sich mehr Finanzverantwortung auf kommunaler Ebene

Haushalt 2026: Horn-Bad Meinbergs Kämmerer warnt vor Haushaltssicherung

Hohe Kreisumlage „tut richtig weh“: Extertal steuert auf Haushaltssicherung zu

Im Augustdorfer Haushalt klafft ein Minus von 2,9 Millionen Euro

Weiterhin unruhige Zeiten: Haushaltsloch von 1,9 Millionen Euro bei der Gemeinde Kalletal

Positive Entwicklung: Deutlich weniger Minus in Augustdorf

Wieder ein Haushaltsloch: Gemeinde Kalletal rechnet mit Minus von 1,5 Millionen für 2026

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €