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Kontroverse um Ortsausschüsse spitzt sich zu

Sven Kienscherf

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Diese Grafik zeigt Lage und Größe der zwölf Bad Salzufler Ortsteile. Nicht jeder hat allerdings einen „eigenen“ Ortsausschuss. - © LZ-Archiv
Diese Grafik zeigt Lage und Größe der zwölf Bad Salzufler Ortsteile. Nicht jeder hat allerdings einen „eigenen“ Ortsausschuss. (© LZ-Archiv)

Bad Salzuflen. Stehen die Ortsauschüsse vor dem Aus? Wenn die Ratsmitglieder in ihrer Sitzung am 25. Oktober im Pädagogischen Zentrum im Schulzentrum Lohfeld einer Beschlussvorlage der Verwaltung folgen, ist die mehr als 40-jährige Geschichte der Gremien in der Kurstadt beendet. Sie werden dann durch Ortsbeiräte ersetzt.

Dr. Johann Malcher, parteiloses Ratsmitglied und Vorsitzender des Schötmaraner Ortsausschusses, meldet allerdings Zweifel an, ob das Vorgehen überhaupt rechtmäßig ist.

Eigentlich sollten die Ausschüsse mehr Rechte bekommen

Zum Hintergrund: Die Kommunalaufsicht hatte zuletzt verfügt, dass die Ortsausschüsse in Bad Salzuflen zu allen wichtigen den Ortsteil betreffenden Belangen gehört werden müssen – anders als es in Bad Salzuflen bisher gängige Praxis ist.

Statt den Ortsauschüssen mehr Rechte zuzuweisen, liegt nun der Vorschlag auf dem Tisch, diese durch Beiräte zu ersetzen, die im Grunde aber keine verbindlichen Befugnisse haben. Der Vorschlag in der Vorlage der Verwaltung sieht vor, dass es künftig 14 Stadtteilbeiräte mit jeweils neun Mitgliedern anstatt der bisher zehn Ortsausschüsse gibt.

Die Partei mit dem höchsten Stimmenanteil bei den Kommunalwahlen benennt den Vorsitz im jeweiligen Quartier. Die Gremien sollen sich dreimal im Jahr treffen, dazu kommt eine einmal jährlich stattfindende „Dorfwerkstatt“.

Im Ortsteil Salzuflen soll es künftig vier Beiräte geben, die wie folgt benannt werden: Elkenbrede/Musikantenviertel, Kur und Forst, Waldstraße/Asenberg sowie Altstadt/Herforder Straße. Auch Schötmar soll aufgeteilt werden in Ost und West. Die Zuschnitte der Beiräte in den übrigen Ortsteilen soll sich an denen der Ortsausschüsse anlehnen.

"Größtmögliche Bürgerbeteiligung"

In der Beschlussvorlage der Verwaltung heißt es hierzu: „Um eine größtmögliche Bürgerbeteiligung mit den Vorzügen eines kollegialen Gremiums in Einklang zu bringen, wird vorgeschlagen, die förmliche Bezirksverfassung nach den Vorschriften der Gemeindeordnung abzuschaffen und die Ortsausschüsse in ihrer jetzigen Form aufzulösen. An ihre Stelle sollen Ortsbeiräte treten, die jenseits der Bezirksverfassung mehr Möglichkeiten der eigenen Ausgestaltung und Beteiligung bieten.“

Johann Malcher hält das für einen Taschenspielertrick, um den Ortsausschüssen nicht mehr Rechte geben zu müssen: „Dann wäre die Verwaltung nämlich gezwungen, alle für den Ortsteil relevanten Themen gegenüber dem Ortsausschuss transparent zu machen. Das wäre ein Instrument der Bürgernähe.“

Die Beiräte dagegen hätten lediglich eine „informelle“ Funktion ohne klare Kompetenz. Das Argument einer besseren Bürgerbeteiligung sei vorgeschoben.Er ist davon überzeugt, dass die Pläne der Stadt überdies einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten würden, da sie den Vorgaben der Gemeindeordnung nicht entsprächen.

"Alles intensiv geprüft"

Malcher jedenfalls fordert den Bürgermeister auf, die Beschlussvorlagen zurückzuziehen. Das sieht man bei der Stadt anders, wie es auf Nachfrage heißt: „Intern haben wir es intensiv geprüft und sind der Überzeugung, dass die Schaffung der Ortsbeiräte ein rechtlich gangbarer Weg ist. Dies ergibt sich auch aus der grundgesetzlichen Tatsache, dass die öffentliche Verwaltung an Gesetz und Recht gebunden ist“, heißt es aus dem Rathaus.

Johann Malcher moniert derweil, dass Bürgermeister Dirk Tolkemitt „im Hau-ruck-Stil“ eine einschneidende Veränderung sowohl ohne Anhörung der zehn Ortsausschüsse als auch ohne Vorberatung des Haupt- und Finanzausschusses durchpeitschen wolle.

Das sagt der Bürgermeister

Stimmt so nicht, sagt Tolkemitt dazu. Die nun erstellte Vorlage sei das Ergebnis von Beratungen in interfraktionellen Arbeitskreisen. Zudem befürchte er eine sich in die Länge ziehende Beratungsfolge, wenn die mit mehr Befugnissen ausgestatteten Ortsausschüsse noch vor den Fachausschüssen und damit auch viel häufiger tagen müssten. Das habe er bereits im September gesagt. „Das würde für die Verwaltung einen erheblichen Aufwand nach sich ziehen“, so der Rathaus-Chef. Und das sei kaum leistbar.

Die SPD hatte auf Nachfrage bereits mitgeteilt, dass sie gegen die Beschlussvorlage stimmen wird. Darüber hinaus hat die Fraktion kurzfristig gemeinsam mit dem parteilosen Ratsherr Malcher einen Antrag gestellt, nach dem die Befugnisse der Ortsausschüsse noch gestärkt werden sollen. So sollen diese künftig zu allen relevanten Entscheidungen, die den jeweiligen Ortsteil betreffen, gehört werden. Auch sollen die Ortsausschüsse künftig selbst über Angelegenheiten entscheiden können, die ausschließlich den „eigenen“ Ortsteil betreffen.

FDP will Änderungen

Kritik an der geplanten Umstrukturierung kommt nun auch aus der FDP. Die Ratsfraktion der Liberalen wünscht sich, dass die gegebenenfalls neu zu gründenden Beiräte ebenfalls eine verbindlichere Rolle bekommen als bisher vorgesehen. „Wichtig ist uns, dass die Bürger motiviert sind, sich zu beteiligen“, sagt Fraktionsvorsitzende Regina Perunovic.

Auch halten die Liberalen eine Aufteilung von Schötmar in zwei Beiräte für nicht zielführend, der Ortsteil habe nicht den Eindruck gemacht, dass er gespalten sei. Außerdem sprechen sie sich dagegen aus, dass der Vorsitz von der Partei gestellt wird, die bei der Kommunalwahl den höchsten Stimmenanteil hatte. Es wäre ein gutes Signal, wenn der Vorsitz aus der Mitte des Gremiums gewählt werden würde, heißt es in einem Änderungsantrag.

Die Freien Wähler werden der Vorlage allerdings zustimmen, sagt Fraktionsvorsitzende Monika Prüßner-Claus. „Wir wollen jetzt einen Neuanfang, und wir werden sehen, wie sich die Bürgerbeteiligung dann entwickelt.“

Das sind die Ortsausschüsse von Bad Salzuflen

Die letzte Änderung beim Zuschnitt der zehn Salzufler Ortsausschüsse gab es Ende 2021. Damals wurde auf Antrag der CDU der Ortsausschuss „Retzen-Grastrup“ in „Retzen- Grastrup-Papenhausen“ (zusammen rund 2100 Einwohner) umgewandelt. Damit soll auch der kleinste Salzufler Ortsteil, Papenhausen eine Stimme bekommen. Vorsitzende des Ortsausschusses ist Bärbel Paetzold (CDU).

Die anderen Ortsausschüsse und ihre Vorsitzenden: Salzuflen (etwa 21.000 Einwohner) Michael Böttcher (SPD); Schötmar (9000), Johann Malcher (parteilos); Werl-Aspe (7700), Beate Hoffmann-Hildebrand (CDU); Lockhausen (3200), Andre Schielmann (CDU); Wüsten (3750), Sebastian Hokamp (CDU); Ehrsen-Breden (3300), Matthias Nacke (CDU); Holzhausen-Hölsen (3400), Hans-Joachim Lücking (CDU); Biemsen-Ahmsen (1500), Katrin Klei (Grüne); Wülfer-Bexten (1850), Simone Heuwinkel (CDU).

Ein X für ein U

Ein Kommentar von Sven Kienscherf

Dass die Stadt die Ortsausschüsse abschaffen will, hat nichts damit zu tun, dass sie sich von den dann neu zu bildenden Ortsbeiräten mehr Bürgerbeteiligung verspricht. Die Ortsausschüsse sollen abgeschafft werden, weil man ihnen mehr Rechte geben müsste, würden sie weiterbestehen. So will es die Kommunalaufsicht.

Und das bedeutet für die Verwaltung aus ihrer Sicht mehr Arbeit und nervige Diskussionen, in denen man sich mit den Anregungen oder Bedenken der Bürgerinnen und Bürger aus den Ortsteilen herumschlagen muss.

Das kann sie so natürlich nicht sagen und deshalb wird in der vorgelegten Beschlussvorlage für die Politik blumig drumherumgeschrieben und von Möglichkeiten der Ausgestaltung und Beteiligung gesprochen.

Mit anderen Worten: Man macht das X zum U. Mit den nun geplanten Beiräten bliebe alles wie gehabt, denn auch bisher waren die Ortsausschüsse mehr oder weniger zahnlose Tiger, das Interesse an ihnen seitens der Bürgerinnen und Bürger möglicherweise auch deshalb gering. Auch unter Bürgermeister Dirk Tolkemitt bleibt die Stadtverwaltung trotz Wahlversprechen eine größere Bürgernähe bisher schuldig.

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