Bad Salzuflen. Fünf Jahre lang hat Johann Malcher als unabhängiger Ratsvertreter seine Stadtpolitik mitgeprägt, von der Nutzung der Festhalle bis zu Bürgerbeteiligungsprojekten. Jetzt endet seine Amtszeit – und er blickt zurück auf Erfolge, Enttäuschungen und die Grenzen als Einzelkämpfer. Herr Dr. Malcher, vor fünf Jahren sind Sie direkt in den Rat eingezogen, jetzt haben Sie Ihr Mandat verloren. Wie schwer wiegt diese Niederlage persönlich? Johann Malcher: Ich sehe das Ergebnis nicht als persönliche Niederlage. Politik ist ein Wettbewerb der Ideen, und 140 Bürgerinnen und Bürger haben sich bewusst für mein Angebot entschieden – dafür bin ich sehr dankbar. Gleichzeitig respektiere ich das Votum der Mehrheit und gratuliere Maximilian Janski (hat das Ratsmandat für die CDU gewonnen, Anmerkung der Redaktion) herzlich zu seinem Erfolg. Für mich überwiegt die Dankbarkeit für fünf Jahre voller wertvoller Erfahrungen und das Privileg, die Interessen der Bürger im Rat vertreten zu dürfen. Sie haben sich unter anderem für Ortsausschüsse und Grundschulen eingesetzt. Was war Ihr größter politischer Erfolg? Johann Malcher: Ende 2020 habe ich in einem öffentlichen Online-Bürgergespräch die Idee, die Festhalle als einen städtischen Tagungscampus zu nutzen, vorgestellt. Damals wurde sie als unrealistische Vision abgetan – bald wird sie Realität. Und wo sind Sie gescheitert? Johann Malcher: Als unabhängiger Einzelkämpfer stößt man oft an Grenzen. Besonders enttäuschend war die Diskussion um Haus Korf. Mein Antrag, das Gebäude zu einem „Wohnzimmer für Schötmar“ zu machen, fand keine Mehrheit. Umso mehr freut es mich, dass nun die Idee aufgegriffen wird und dort die Bücherei entstehen könnte. Das zeigt, dass Beharrlichkeit manchmal erst später Früchte trägt. Viele behaupten, dass man als Einzelkandidat im Rat keine Chance hat. Was war schwieriger – inhaltlich durchzudringen oder überhaupt Gehör zu finden? Johann Malcher: Gehört wurde ich durchaus – wenn Anträge fundiert sind, hört man zu. Schwieriger war es, wirklich durchzudringen, wenn Entscheidungen längst im Vorfeld gefallen waren. Debatten im Rat sind zunehmend nur noch Ratifizierungen statt ergebnisoffene Diskussionen. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, die auch erklärt, warum die Zuschauerreihen im Ratssaal leer bleiben. Sie haben mehrfach die Kommunalaufsicht eingeschaltet. Hat Ihnen dieser konsequente Stil eher Türen geöffnet oder verschlossen? Johann Malcher: Mir ging es nie darum, Türen zuzuschlagen, sondern Transparenz zu schaffen. Die sogenannten „interfraktionellen Runden“ entwerteten die öffentliche Debatte, weil Entscheidungen dort vorab getroffen wurden. Mein Einschreiten führte schließlich dazu, dass diese Praxis beendet wurde. Das war mir wichtig – nicht für mich, sondern für die Demokratie vor Ort. Mit Projekten wie dem „Online-Bürgerrat“ oder der Idee eines „Nachtbürgermeisters“ wollten Sie Bürger stärker beteiligen. Was hat funktioniert? Johann Malcher: Die Beteiligung beim Online-Bürgerrat war gering – da müssen wir uns ehrlich fragen, ob solche Formate noch in den Alltag passen. Erfolgreicher war der direkte Austausch: das Gespräch an der Haustür, am Infostand oder die schnelle Antwort per Mail. Politik muss einfacher und greifbarer werden. Nur so lassen sich Menschen mitnehmen und gegen einfache, aber falsche Antworten immunisieren. Sie haben angekündigt, sich nun mehr auf Familie und Beruf zu konzentrieren. Bedeutet das endgültigen Abschied von der Politik? Johann Malcher: Im Moment gilt meine volle Aufmerksamkeit meiner Familie – in wenigen Tagen werde ich Großvater – und meinem Beratungsunternehmen. Aber ich bleibe ein politisch denkender Mensch. Mein Engagement war nie an ein Mandat gebunden. Ob ich mich irgendwann wieder aktiv einbringe, wird die Zeit zeigen. Türen schlage ich jedenfalls nicht zu. Welche Lehre ziehen Sie aus fünf Jahren Ratstätigkeit? Johann Malcher: Demokratie beginnt mit dem Respekt vor den eigenen Regeln. Zu oft wurde mein Hinweis auf die Gemeindeordnung als „Formalismus“ abgetan. Doch wenn wir unsere eigenen Regeln aufweichen, schwächen wir das Vertrauen in die Demokratie. Meine Konsequenz hat sicher nicht allen gefallen, aber sie war nie persönlich gemeint. Ich wünsche dem neuen Rat Kraft für offene Debatten und Entscheidungen zum Wohle unserer Stadt. Info: Dr. Johann Malcher, parteiunabhängiger Direktkandidat für den Wahlbezirk „Schötmar2/EhrsenBreden1“, wird nach fünf Jahren Ratszugehörigkeit nicht wieder vertreten sein. Bei der aktuellen Wahl erzielte er in seinem Bezirk 16,3 Prozent (Bad Salzuflen gesamt: 0,63Prozent). 2020 hatte er dort noch knapp 29Prozent der Stimmen erhalten und das Direktmandat gewonnen.