Konzeptlos? Salzufler Gastgeber und Marketingchef zur Kritik am Tourismusstandort

Bad Salzuflen . Ein Treffen im Kurgastzentrum, der Blick fällt auf die Gradierwerke, ein paar Touristen schlendern über den &bdquo;Roten Platz“. Damit das künftig noch deutlich mehr werden, will die Stadt einiges tun. Aber tut sie genug? Das bezweifelte der Verein Kur- und Touristik zuletzt. Nun trifft Michael Sasse vom Vorstand auf Marketingchef Alexander Bleifuß – ein Gespräch über neue Ideen, große Pläne und kleine Schritte.

Herr Sasse, als Sie am Samstag die Zeitung aufgeschlagen und von der nächsten Großbaustelle – der Sanierung der Gradierwerke – gelesen haben, waren Sie sicher wenig begeistert.

Michael Sasse: In den letzten zehn Jahren waren immer irgendwelche Baustellen, die den Kurkernbereich betroffen haben. Die Gradierwerke sind einer der Hauptgründe, weshalb die Gäste nach Bad Salzuflen kommen. Für uns Gastgeber ist es wichtig, dass da etwas passiert. Umso eher desto besser. Aber: Auf keinen Fall in der Saison.

Alexander Bleifuß: Die Gradierwerke sind unser Wahrzeichen, damit heben wir uns von anderen Tourismusstandorten ab. Von daher ist es unstrittig, dass die Sanierung schnellstmöglich begonnen werden muss – aber mit der notwendigen Sorgfaltspflicht. Von daher wäre der Vorschlag, das Ganze abschnittsweise bis 2028 zu machen, sinnvoll.

Die Gradierwerke sind nicht die einzige Baustelle, die auf die Stadt zukommen wird. Denken wir ans Kurhaus...

Bleifuß: Beim Kurhaus ist das Ziel eine Revitalisierung als Veranstaltungs- und Kongresszentrum. Mit einem Baubeginn ist in der ersten Jahreshälfte 2024 zu rechnen.

Bei allen Entscheidungen in der Stadt soll der Tourismus immer mitgedacht werden – so lautet eines der Stadtziele. Haben Sie das Gefühl, dass bei allen angekommen ist, wie wichtig der Tourismus für Bad Salzuflen ist?

Bleifuß: Bei den Tourismusschaffenden auf jeden Fall. Dass das im Tagesgeschäft umgesetzt wird, ist unser Ziel und unsere Aufgabe.

Sasse: Bei den Tourismusschaffenden gehört das ja zum Berufsbild. Aber: Maßnahmen, die die touristische Infrastruktur erhalten oder aufwerten, müssen in der Prioritätenliste weiter nach vorne rücken – gerade innerhalb der Saison. Das gilt für ein nicht funktionierendes Gradierwerk genauso wie für überfüllte Mülleimer. Damit können wir nicht warten, das muss im Sinne des Gastes so schnell wie möglich passieren. Immerhin machen wir im Jahr in der Stadt mehr als 200 Millionen Euro touristischen Umsatz. Dem müssen wir gerecht werden. Daher denke ich, dass der touristische Gedanke noch tiefer in der Verwaltung verwurzelt werden muss.

Und wie sieht es bei der Politik aus?

Sasse: Das hat man allein daran gesehen, dass die Politik den Wunsch geäußert hat, die Sanierung der Gradierwerke möglichst schnell durchzuziehen, egal was es kostet – zu dem Zeitpunkt war vielleicht nur noch nicht klar, wie stark die Saison dadurch belastet wird. Aber die Politik weiß um den Stellenwert der Gradierwerke. Das war in der Vergangenheit anders. Inzwischen hat man den Tourismus als Wirtschaftsfaktor verinnerlicht.

Eine Million Übernachtungsgäste im Jahr ist die magische Marke, die man knacken will. Wie wollen Sie das erreichen?

Bleifuß: Das ist nicht nur eine Zahl, sondern auch eine Motivation für uns. Wir werden einige Projekte anschieben, um neue Gäste anzulocken. Dazu gehört das Kurhaus, aber auch das geplante Thermenhotel. Dann gibt es aber weitere Hausaufgaben im Tagesgeschäft.

Die da wären?

Bleifuß: Stichwort Besucherleitsystem. Und auch die Kernkompetenzen Sole und Kneipp spielen eine wichtige Rolle. Mit dem Doppelprädikat haben wir ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Gerade in Kneipp steckt noch viel Potenzial. Ich könnte mir Themenwochenenden, Tagungen und Vorträge vorstellen. Mehr Werbung für die ambulanten Badekuren, vor allem bei den Krankenkassen habe ich mir auf die Fahne geschrieben. Im Bereich Sole planen wir eine Kooperation mit einem Kosmetikhersteller, auf dessen Produkte wir dann gezielt mit &bdquo;Salz aus Bad Salzuflen“ werben wollen. Und auch bei Veranstaltungen sehen wir noch viel Potenzial. Auch da muss was passieren.

Sasse: Der Meinung sind wir auch. Dabei denken wir gar nicht an große und teure Veranstaltungen. Live-Musik in der Innenstadt, ein Abendmarkt, der Gast will vielleicht abends zum Kurkonzert noch ein Glas Wein trinken. Sowas müsste nur am besten wöchentlich passieren – da läuft im Moment zu wenig.

Manch einem würde auch ein Tässchen Kaffee im Kurpark schmecken. Wie ist der Stand bei der Gastronomie in der Wandelhalle?

Bleifuß: Wir führen gute Gespräche, diese Tage gibt es wieder eine Begehung mit einer interessierten Gastronomin. Das Thema ist, dass es sich dabei um ein Saisongeschäft handelt und jeder Gastronom schauen muss, ob sich das für ihn trägt.

Aber bislang kommt es einfach zu keinem Abschluss. Könnte man da von Seiten der Stadt nicht Anreize schaffen?

Bleifuß: Wir sind da sehr willig und entgegenkommend. Denkbar wären verschiedene Pachtmodelle, um das Ganze attraktiv zu gestalten.

Sasse: Eine Umsatzpacht wäre das einfachste. Natürlich ist das ein Saisongeschäft, aber man könnte das ausweiten, die Gastronomen könnten die Bewirtung bei Veranstaltungen in der Wandelhalle übernehmen. Wir als Verein haben den Vorschlag gemacht, übergangsweise karitativen Einrichtungen die Möglichkeit zu geben, hier am Wochenende Kaffee und Kuchen zu verkaufen, solang die Gastronomie noch nicht verpachtet ist.

Bleifuß: Das spielt bei unseren Überlegungen tatsächlich eine Rolle. Denn dem Gast ist erstmal wichtig, dass er an der Stelle überhaupt verköstigt wird.

Sie haben einige Ideen, wie man Gäste nach Bad Salzuflen locken will. Herr Sasse, Sie haben zuletzt gesagt, Ihnen fehle trotzdem ein roter Faden, ein generelles Konzept mit Blick auf den Tourismusstandort.

Sasse: Der Meinung bin ich noch immer. Wir tauschen uns zwar mit der Verwaltung über operative Dinge aus, aber inhaltlich haben wir uns noch keine Gedanken gemacht, wo wir in fünf Jahren stehen möchten – geschweige denn nächstes oder übernächstes Jahr. Es heißt immer, man will sich um den Tourismus kümmern, aber mir fehlt der Hauptgedanke. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Themenjahr, etwa zum Salz?

Bleifuß: Dass das nach außen so ankommt, nehmen wir sehr ernst. Ich kann aber versichern, dass wir mit einer Vision arbeiten, die da heißt, dass wir Gesundheitsexzellenzstandort mit Tradition sind. Tradition haben wir schon, die zum Beispiel mit dem Erlebnisraumkonzept erlebbar gemacht wird. Das müssen wir noch mit mehr Veranstaltungen und neuen Angeboten unterfüttern.

Herr Sasse spricht von einem langfristigen roten Faden.

Sasse: Ich sehe die Vision des Gesundheitscampus, den Gesundheitsstandort. Aber dabei vergessen wir, dass es auch einen erheblichen Anteil an Freizeittourismus hier gibt – auch die anderen Felder müssen bespielt werden. Wie wäre es zum Beispiel, wenn wir wieder selbst Salz herstellen? Salz erlebbar machen, das wäre eine langfristige Idee. Oder der Landschaftsgarten, der in die Jahre gekommen ist. Wir würden uns wünschen, dass man da jetzt in einen Prozess einsteigt. Projekte, durch die die Aufenthaltsqualität steigt – früher die Umgestaltung des Kurparks, der Wandelhalle – die fehlen derzeit.

Bleifuß: Landschaftsgarten ist ein gutes Stichwort, da wird auch etwas passieren.

Sasse: Aber bitte nicht nur Einzelmaßnahmen. Denn genau die machen mehr kaputt, als dass sie helfen. Und das ist ein Riesenproblem: Man befriedigt eine laute Gruppe, und der Rest bleibt, wie er ist. Dabei braucht die Grundsubstanz eine Erneuerung. Natürlich kann man Einzelmaßnahmen umsetzen – aber bitte immer mit dem Fokus auf das große Ganze.

Kommen wir zur Kritik, die zuletzt im Verein Kur- und Touristik laut wurde. Man wünsche sich den Kurdirektor zurück, es fehle touristische Expertise, die keiner der derzeit Verantwortlichen im notwendigen Maß bieten könne.

Bleifuß: Ich bin offen für Kritik, und wenn wir auf der Sachebene diskutieren, ist das alles unstrittig. Aber sich Einzelne namentlich herauszupicken, halte ich für unangemessen. Ich kann aber zum Beispiel verstehen, dass es Ansprechpartner geben muss.

Sasse: Ich bin der Meinung, dass diejenigen, die Tourismus machen, hier in der Stadt sitzen sollten und nicht im Rathaus. Einfach aus dem Grund, damit sie wie jetzt aus dem Fenster gucken können und sehen, dass die Stele da vorne immer noch nicht funktioniert oder die Mülltonnen voll sind. Das gehört dazu, um ein Gespür für den Ort und dafür zu bekommen, was dem Gast gefallen könnte oder nicht.

Das reicht Ihnen aber nicht. Schließlich wünschen Sie sich einen Kurdirektor.

Sasse: Tourismus ist eben mehr als Marketing. Uns fehlt jemand, der sich mit der Materie beschäftigt, netzwerkt, nach Förderprogrammen sucht. Einer, der eine Idee hat und die in alle Fachdienste transportiert, damit dort ein roter Faden ausgearbeitet wird. Die Position von Herrn Feiler haben wir immer als Häuptling der Abteilung gesehen – und nicht als Projektentwickler oder Ideengeber. Er leitet den Fachbereich, trägt die Dinge in den Verwaltungsvorstand und kämpft dafür.

Bleifuß: Das wäre der Optimalzustand. Im Moment müssen wir ohne Herrn Feiler in der Organisation nur anders denken. Wir haben aber einen Weg gefunden, damit umzugehen und stehen als Ansprechpartner jederzeit gerne zur Verfügung.

Herr Feiler fällt krankheitsbedingt weiter aus. Sie, Herr Bleifuß, leiten das Kurparkserviceteam, die Tourist-Info und das Marketingteam. Und haben die operativen Geschäfte von Herrn Feiler übernommen.

Bleifuß: Viele Zuständigkeiten liegen in meinem Bereich. Aber ich bin nicht Vertretung des Beigeordneten. Die Vertretung übernimmt die Verwaltungsspitze. Dennoch spüren wir, dass momentan jemand fehlt, das ist klar.

Was würden Sie beide sich für die künftige Zusammenarbeit wünschen?

Bleifuß: Ich spüre den Elan und die Meinungsstärke der Gastgeber – das meine ich positiv. Wir müssen an einem Strang ziehen, uns austauschen, Projekte gemeinsam besprechen. Wir brauchen die Gastgeber, und die Gastgeber brauchen uns. Von daher ist mein Wunsch, dass die Kommunikation vertrauensvoll ist, weiter verstetigt wird und man an einem Tisch sitzt.

Sasse: Unser Wunsch ist, dass der Gast wieder absolut in den Mittelpunkt gestellt wird. Dass wir die jetzige Zusammenarbeit weiter ausbauen, wir bei Projekten dabei sind, unsere Meinung einbringen dürfen. Wir wünschen uns aber auch, dass kleine Dinge schneller umgesetzt werden. Das Credo muss sein: Alles für den Gast zu tun, damit er Bad Salzuflen als den schönen Urlaubsstandort sieht, der er ist.

Persönlich Alexander Bleifuß ist 37 Jahre alt und lebt mit Freundin und Tochter in Bielefeld. Der Diplom-Geograf war zuletzt für die &bdquo; TourismusMarketing Niedersachsen GmbH“ in Hannover tätig. Seit 1. November des vergangenen Jahres ist er Leiter des neuen Fachdienstes &bdquo;Tourismus, Gesundheit und Marketing“ im Rathaus.

Michael Sasse ist 54 Jahre alt und verheiratet. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker kam über seine Familie ins Hotelgeschäft. 2004 übernahm er das Kurparkhaus an der Parkstraße, führte zunächst die Betriebe seiner Eltern parallel und leitet seit 2014 mit seiner Frau nur noch das Kurparkhaus. Seit 2005 ist Sasse zudem im Vorstand des Vereins Kur- und Touristik aktiv.

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