Bruder erstochen: 15-jährige Detmolderin wegen Mordes verurteilt

Detmold. Am Ende hat sie beide Kinder verloren: Tränenüberströmt verlässt die Frau in der schwarzen Kunstlederjacke den Saal 165 des Detmolder Landgerichts. Was in ihr vorgeht, mag niemand erahnen. Wenige Augenblicke zuvor ist ihre Tochter Hannah (Name geändert) wegen Mordes zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. 28 Mal stach die 15-Jährige am 6. November 2019 auf ihren kleinen Halbbruder ein , während der Dreijährige in seinem Bettchen schlief. Heimtückisch. Das Gericht erkennt ein Mordmerkmal.

Das Motiv bleibt weiter unbegreiflich. Aus Geschwister-Rivalität habe sich grenzenloser Hass entwickelt, berichtet Landgerichtssprecher Wolfram Wormuth nach der Urteilsbegründung aus der nicht-öffentlichen Verhandlung.

Wie konnte es soweit kommen? Diese Frage schwebt über dem gesamten Verfahren. Nach der Geburt des kleinen Halbbruders soll Hannah sich massiv zurückgesetzt gefühlt haben, berichten Bekannte. Was für einen unglaublichen Hass die Jugendliche auf den Dreijährigen entwickelt haben muss, wird am Rande des Prozesses deutlich: Einmal soll sie ihrer Freundin per Handynachricht geschrieben haben, sie wolle ihren Bruder töten. &bdquo;Ihre Freundin hat diese Nachricht nicht ernst genommen", sagt Dariusz Balicki, der die Mutter der 15-Jährigen in der Nebenklage vertritt. Oftmals fielen vergleichbare Sätze aus einem Moment der Wut heraus und seien belanglos. In diesem Fall war das anders. Aus Worten wurde Wirklichkeit.

In Hannah schien sich unbändige Wut angesammelt zu haben. Der psychiatrische Gutachter hatte die 15-Jährige bereits im Vorfeld der Verhandlung für schuldfähig befunden. Details gelangten nur spärlich an die Öffentlichkeit, um die Angeklagte zu schützen. Ihr Verteidiger Helmut Wöhler lässt durchblicken, dass sich die Tat über lange Zeit in kleinen Schritten angekündigt haben könnte. Aus einer gewöhnlichen Geschwisterrivalität habe sich krankhafte Eifersucht entwickelt, so soll es der Gutachter erklärt haben. &bdquo;Die Emotionen schaukelten sich immer weiter hoch – bis zu einem Punkt, an dem das Maß voll war", so Wöhler. In seltenen Fällen enden solche Konflikte mit Gewalt. Welcher Moment die grausame Tat ausgelöst haben könnte, blieb im Verborgenen.

Mädchen war geständig Die Jugendschutzkammer rechnete der 15-Jährigen laut Landgerichtssprecher Wolfram Wormuth an, die Tat umfassend gestanden und keine Lügengeschichten erfunden zu haben. Die Brutalität der Tat und deren heimtückische Umsetzung lasse jedoch wenig Spielraum für das Urteil. Dass es nicht zur Höchststrafe von zehn Jahren gekommen sei, habe auch mit den schwierigen Lebensumständen der 15-Jährigen zu tun.

Diese seien auch ein Grund für die Detmolder Staatsanwaltschaft gewesen, im Plädoyer nur acht Jahre und nicht das Höchststrafmaß zu fordern. Die Verteidigung hatte auf sieben Jahre plädiert. &bdquo;Die Brutalität dieser Tat spricht für sich, doch die Umstände sind außergewöhnliche", sagt Oberstaatsanwalt Christopher Imig. Für alle Beteiligten sei dieses Verfahren ein kräftezehrender Akt gewesen, alle seien froh, dass es vorbei sei.

Ein ambivalente Rolle im Verfahren habe vor allem die 47-jährige Mutter eingenommen, die auf einem Schlag beide Kinder verloren hat. &bdquo;Sie ist unglaublich zerrissen, deshalb haben wir auch keine bezifferte Forderung gestellt", erklärt ihr Anwalt Dariusz Balicki. Seiner Mandantin sei überhaupt nicht klar gewesen, in welcher schlechten Beziehung die Halbgeschwister zueinander gestanden hätten. &bdquo;Sonst hätte sie alles getan, um das zu verhindern." Doch das sei nun zu spät.

Die Mutter wolle den Kontakt zur Tochter auf jeden Fall aufrecht erhalten. Sobald es möglich sei, werde sie die 15-Jährige in der Haft besuchen.

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