Experten deuten Überraschungsfund in Detmolds Fußgängerzone

Detmold. Unerwartet war bei Sanierungsarbeiten der Detmolder Fußgängerzone zwischen Marktplatz und Krummer Straße ein historischer Kanal gefunden worden . Schnell war vermutet worden, dass es sich um einen alten Löschwasserkanal handelt. Nun haben sich Archäologe Robert Gündchen, Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink und Bodendenkmalpflegerin des Landesmuseums Dr. Elke Treude im Archiv getroffen, um dieser Vermutung mit Hilfe historischer Akten, Pläne und Fotografien auf den Grund zu gehen.

&bdquo;Das Spannende ist, dass dabei unterschiedliche Kompetenzen zusammenkommen“, freut sich Dr. Sunderbrink. &bdquo;Die Untersuchung des Objekts vor Ort und seine Deutung mit Hilfe der Archivquellen.“ Weil Detmold fürstliche Residenz war, seien bei der Aufteilung alter Archivalien in die Bestände von Stadt und Land die Grenzen fließend, erklärt Sunderbrink. Sie hat historische Bauakten aus dem Jahr 1864 herausgesucht, in denen der Magistrat (die Stadtverwaltung) einem Architekten den Auftrag für die Neuanlage des Trottoirs (Bürgersteigs) erteilt. Darin wird auch ein Gutachten gefordert, ob eine Überwölbung des Löschwasserkanals besser durch Bergsteine oder Mauerplatten erfolgen solle. &bdquo;Noch nicht herausgefunden habe ich, wann die Kanäle angelegt worden sind“, sagt Sunderbrink.

Wie die Freiburger Bächle &bdquo;Natürlich denkt man bei solchen Kanälen sofort an die Bächle aus Freiburg“, gibt sie zu. Auch diese dort noch heute in der Innenstadt vorhandenen offenen Kanäle waren damals für die Brandbekämpfung angelegt worden, dienten im Alltag aber auch für die schnelle Entsorgung von manchem Unrat. In Detmold waren die Kanäle bis ins 19. Jahrhundert mit Holz abgedeckt, wie Dr. Treude weiß. Und die Grabungsfunde weisen auf eine gute Pflege hin. Eine Wartung im Jahr 1805 ist nachweisbar. &bdquo;Wir haben wenig Abfälle gefunden“, sagt Archäologe Gündchen. &bdquo;Nur ab und zu mal ein paar Scherben.“ Und eine alte Likörflasche aus Bielefeld, diverse Glasstopfen sowie Keramikscherben in der Vermörtelung. &bdquo;Die helfen vielleicht bei der genaueren Datierung“, hofft Gündchen.

Bis zu 1,50 Meter tief sei der Kanal auf der westlichen Seite der Langen Straße heute noch und die Innenseite sei so hart vermörtelt, dass der Bagger beim Abbruch für das Legen der Hausanschlüsse seine Schwierigkeiten gehabt habe. Auf der Ostseite der Straße vermutet Gündchen einen weiteren Kanal, der allerdings wohl nicht so tief sei. &bdquo;Ich habe bisher nur Quellen für die westliche Seite gefunden“, sagt Sunderbrink. &bdquo;Aber das heißt nichts. In den Akten kann noch mehr zu finden sein.“

Von 14 Hausanschlüssen, für die jeweils eine zwei Meter breite Schneise in den historischen Kanal gebrochen wurde, um genug Platz für Fernwärme-, Strom-, Gas-, Wasser- und Telekommunikationsleitungen zu haben, konnte Gündchen drei genauer dokumentieren. &bdquo;Vielleicht lässt sich das Material später für einen Standgang mit Hilfe eines QR-Codes für Touristen zugänglich machen“, hofft Treude. Mindestens konnte Gündchen aber den Verlauf der Mauern vermessen und fotografisch dokumentieren, bevor das historische Mauerwerk zerstört wurde. Dadurch ist nun der genaue Verlauf des Kanals bekannt. &bdquo;In den wenigsten Städten sind damals so tolle Kanäle angelegt worden“, lautet Gündchens Fazit.

&bdquo;Detmold war halt Residenz“, sagt Sunderbrink. &bdquo;Das war Paderborn auch und dort gab es keine“, wirft Gündchen ein. &bdquo;Feuer ist für Detmold ein Angstthema“, erklärt Sunderbrink. &bdquo;Im 16. Jahrhundert war fast die ganze Stadt abgebrannt. Später musste sich jeder, der Bürger werden wollte, einen Ledereimer anschaffen.“ So konnte im Brandfall jeder Bürger per Eimerkette zum Feuerwehrmann werden.

Keine Kanalisation zur Abwasserentsorgung Nur in solchen Fällen seien die Löschwasserkanäle aus der Berlebecke mit Wasser geflutet worden, vermutet Sunderbrink. &bdquo;Aber das ist noch eine offene Frage, die geklärt werden muss.“ Das Gefälle würde reichen für einen stetigen Durchfluss vermutet Gündchen und dicht sei der Kanal mit seinen Steinplatten als Sohlabschluss auch. Aber auf keinen Fall habe dort dauerhaft meterhoch Wasser drin gestanden, sind sich beide einig. Die den Kanal abdeckenden Platten konnten an der Brandstelle entnommen werden, sodass das Wasser dann leicht zugänglich war.

Eine Kanalisation in heutiger Form zur Entsorgung von Abwasser hatte Detmold zu dieser Zeit noch nicht. Dafür gab es in den Häusern Latrinengruben, die regelmäßig ausgehoben wurden oder Misthaufen vor den Häusern. &bdquo;Um 1900 konnten die Löschwasserkanäle dann aufgegeben werden, denn ab dem Zeitpunkt hatte Detmold eine zentrale Wasserversorgung“, sagt Sunderbrink.

Schön sei, dass die Bürger archäologische Ausgrabungen so interessiert verfolgten, sind sich alle drei einig. &bdquo;Als Reaktion auf Zeitungsartikel bekomme ich oft weitere Hinweise wie alte Karten oder Infos wo sich Akten dazu im Landesarchiv finden lassen“, freut sich Treude. Dieses besondere Verständnis in Lippe liege vielleicht auch an einer schon frühen Schutzgesetzgebung durch den Fürsten. &bdquo;Wir haben in NRW so viele im Krieg komplett zerstörte Städte, aber in Lippe noch so viel wertvolle Bausubstanz“, sagt Sunderbrink. &bdquo;Es ist schön, wenn das als Wert und nicht als Belastung angesehen wird.“

Noch mehr Artikel rund um die Lange Straße im Wandel lesen Sie hier .

Experten deuten Überraschungsfund in Detmolds Fußgängerzone

Detmolder Archäologen: Was Gräberfunde über die Menschen vor 1400 Jahren verraten

Kriegsende: Diese fünf Orte spielten in der Detmolder Innenstadt eine besondere Rolle

Warum der Blomberger Stadtmauer ein Zacken in der Krone fehlt

Neue Ausstellung beleuchtet Detmolds Beziehung zum Hermannsdenkmal

Vom Nationaldenkmal zum Ausflugsziel? Tagung zum Hermann lädt in Detmold zum Mitdenken ein

Stadt Detmold reflektiert historische NS-Aufarbeitung

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €