Enkelin des Nazi-Opfers kommt nach Detmold: Was wir von Felix Fechenbach lernen können

Detmold. Das erste Mal kam Kathie Wiederkehr, Enkelin des von den Nazis ermordeten sozialdemokratischen und jüdischen Journalisten Felix Fechenbach, beinahe zufällig nach Detmold. 1977 war das, und die junge Schweizerin war per Anhalter gen Norddeutschland unterwegs. Dem Fahrer, der sie mitnahm, erzählte sie, dass ihr Großvater in Detmold gelebt habe - prompt machte der dort einen Stopp auf ein Getränk. Und wie es der Zufall wollte, traf sie dabei einen alten Mann, der &bdquo;den Felix“ kannte und viel zu berichten wusste.

Kathie Wiederkehr, damals Mitte 20, hatte selbst erst als Teenagerin wirklich viel über ihren Großvater erfahren und begonnen, seine Bücher zu lesen. Inzwischen ist die heute 71-Jährige immer wieder Gast in jener Stadt, in der ihr Opa verfolgt, verhaftet und eingesperrt wurde, bevor er am 7. August 1933 auf dem Weg in das Konzentrationslager Dachau im Kleinenberger Wald zwischen Paderborn und Warburg erschossen wurde. An diesem Wochenende nimmt sie an der zentralen Gedenkfeier für jüdische Verfolgte aus Detmold zum 9. November 1938 teil.

Frau Wiederkehr, können Sie sich noch an das erste Mal erinnern, als Sie aus offiziellem Anlass in Detmold waren?

Kathie Wiederkehr: Das war 1994 zu einem wissenschaftlichen Kolloquium anlässlich des 100. Geburtstags von Felix. Es war eine beeindruckende Veranstaltung mit vielen Vorträgen, Ausstellung und Diskussionen, bei der ich viel gelernt habe.

Felix Fechenbach war ein Mann, der die Meinungsfreiheit gelebt hat und deshalb ermordet wurde. Wann und wie haben Sie vom Leben, Wirken und Tod Ihres Großvaters erfahren?

Kathie Wiederkehr: Ich habe ihn ja nie kennengelernt. Meine Mutter war vier, als er ermordet wurde und sie mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern in die Schweiz geflüchtet ist. Sie hat ihren Vater also kaum gekannt. Und als ich 1953 geboren wurde, wollte man nicht zurückschauen, sondern nach vorne. Meine Mutter hat nie viel über ihren Vater gesprochen. Mein Vater hat mir viel über die Zeit des Zweiten Weltkriegs berichtet und wir haben darüber viel diskutiert.

Und was hat sein gewaltsamer Tod, seine Ermordung durch die Nazis, bei Ihnen ausgelöst?

Kathie Wiederkehr: Die Geschehnisse des Nationalsozialismus wurde dadurch für mich ganz konkret und sind mit meiner Familiengeschichte verwoben. Ich wollte mehr über meinen Großvater wissen und hätte viele Fragen an ihn gehabt. Mit 16 habe ich angefangen, seine Bücher zu lesen, die mich sehr beeindruckt haben.

Mit welchen Gefühlen kommen Sie in die Stadt, in der Ihr Großvater von den Nazis verfolgt, verhaftet und eingesperrt worden ist?

Kathie Wiederkehr: Mit Detmold verbinde ich nur positive Gefühle. Ich habe hier viele tolle Menschen kennengelernt, die die Erinnerungskultur im besonderen Maße pflegen und sich für die aktuellen Probleme einsetzen. Ich habe hier viele gute Freundschaften geschlossen. Zudem ist Detmold eine sehr schöne Stadt.

Und wie hat seine Vita Ihr eigenes Leben, Ihre politische Einstellung und Ihren beruflichen Werdegang beeinflusst?

Kathie Wiederkehr: Meine Jugendzeit war die Zeit des politischen Aufbruchs in den 68ern. In der Schweiz haben wir das Stimmrecht für Frauen erst seit 1971. Ich habe mich für Frauenfragen eingesetzt und für den Ausbruch aus den gesellschaftlichen Zwängen. Später war ich beruflich in familienpolitischen Organisationen der Schweiz tätig.

Das hätte Ihrem Großvater sicherlich gefallen.

Kathie Wiederkehr: Ich glaube, wir hätten überaus interessante Gespräche führen können.

Die Rechten erstarken in Deutschland und Europa – gerade wird Donald Trump zum zweiten Mal Präsident der USA. Was können wir heute von Felix Fechenbach lernen?

Kathie Wiederkehr: Felix war nicht naiv, er wusste, dass er bei den Nazis auf der schwarzen Liste stand. Trotzdem hat er sich gegen den Nationalsozialismus gewehrt und für Menschlichkeit eingesetzt; und er ist dran geblieben. Wenn wir etwas von ihm lernen können, dann das: Dass wir nicht in eine kollektive Depression verfallen, sondern dass wir alle versuchen, unseren kleinen Beitrag zu leisten, damit die Welt menschlich bleibt und die Demokratie nicht zugrunde gerichtet wird.

Die Zentrale Gedenkfeier findet am Samstag, 9. November 2024, um 17.30 Uhr am Platz der 1938 zerstörten Neuen Synagoge an der Lortzingstraße und an der Gedenkstätte Exterstraße statt. Das Konzert &bdquo;Mojschele majn frajnd“ – Jiddische Lieder & Chassidische Geschichten interpretiert von Martin Bolliger (Gesang, Gitarre und Rezitation) beginnt um 19.30 Uhr im Rathaus, Marktplatz 5.

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