Horn-Bad Meinberg. Szenen wie diese kennt das friedliche Horn eigentlich nicht: Ein Demonstrant reibt sich Pfefferspray aus den Augen. Auf der anderen Seite stehen Rechtsextreme hinter einer gut 30 Meter langen Polizei-Linie auf dem Marktplatz der lippischen Stadt. Die Partei „Die Rechte" hatte am Samstag zur „Kundgebung für die Wiederherstellung der Sicherheit in Horn-Bad Meinberg" aufgerufen. Seit dem beschäftigt das Thema in der Stadt und weit darüber hinaus viele Menschen. Denn neben einer Auseinandersetzung zwischen beiden Parteien kam es auch zu einer Festnahme. Eine Zusammenfassung der Ereignisse:
Sie macht sich zu Nutze, was viele Bürger in der Stadt seit langem umtreibt: Eine große Gruppe von Südosteuropäern ist in leerstehende Gebäude in der Innenstadt gezogen. Dreckig sei es seitdem, heißt es, oft laut, und auch von Diebstählen ist die Rede. Vieles sind Gerüchte, zumindest fehlen Belege. Aber der Unmut vor Ort ist groß: Zu einer Ratssitzung zum Thema kamen jüngst 300 Bürger. In dieser Gemengelage hofft die Rechte auf Zulauf.
Vor dem Lautsprecherwagen mit Dortmunder Kennzeichen bleibt es an diesem Tag allerdings eher leer. Die Gegenseite bringt mit rund 250 Teilnehmern weit mehr Menschen auf die Straße. „Ein gutes Zeichen", findet Heinz Blome, Sozialarbeiter der Stadt. Dass die spontane Gegenveranstaltung so starken Zuspruch erhalten würde, sei für ihn keineswegs sicher gewesen. Denn in Sachen Sicherheitsempfinden habe sich in den vergangenen Jahren vieles in Horn zum Schlechteren entwickelt. „Wir haben hier kreisweit den höchsten Migrantenanteil, in den vergangenen zwei Jahren sind in kürzester Zeit rund 360 Menschen aus Süd-, Mittel- und Osteuropa in die Innenstadt gezogen."
Zuzug begann vor etwas mehr als zwei Jahren
Ein Ansturm, mit dessen Tempo die Behörden schlicht nicht Schritt halten können, sagt der Sozialarbeiter. „Das hat viele Stellen sicher regelrecht überrollt und es wird eine Weile dauern, bis alles in geordneten Bahnen läuft." Das System deutscher Behörden sei an dieser Stelle langsamer als der Bürger in seiner Wahrnehmung der Probleme.
Begonnen hat der Zuzug vor etwas mehr als zwei Jahren, „im Schatten der großen Flüchtlingsthematik – allerdings komplett unabhängig davon", sagt Blome. Die Geschichte hinter dieser Wanderungsbewegung in die Stadt reicht jedoch deutlich weiter zurück.
Schon seit vielen Jahren stehen in Horn Gebäude leer – allen voran das markante ehemalige Hotel Vialon am Marktplatz. Selbst ein potenter Investor aus Köln schafft es zu Beginn dieses Jahrzehnts nicht, das Gebäude wiederzubeleben. Bei anderen Leerständen sieht es nicht besser aus.
Thema im Sozialausschuss
In den Jahren 2016 und 2017 dann zieht neues Leben in die Häuser. Die Familien aus Südosteuropa kommen. Und mit ihnen, so meinen viele Bürger, neue Probleme. In der Politik landen die Ereignisse zum ersten Mal im Juni 2017 auf dem Tisch. Die SPD-Fraktion macht die „Situation der südosteuropäischen Neubürger in der Stadt" im Sozialausschuss zum Thema. Sozialdemokrat Heinz-Dieter Krüger berichtet, Bürger hätten ihren Ärger an seine Fraktion herangetragen.
In der Folge sorgt die Situation immer wieder für Schlagzeilen und Gerüchte: Schlepper und kriminelle Familienclans sollen die Gebäude in Horn gekauft und die Familien hierher geholt haben. Seit die Südosteuropäer nach Horn gezogen sind, soll es dort vermehrt Einbrüche und Diebstähle geben.
Aus polizeilicher Sicht bestätigt sich das allerdings nicht, berichtet Pressesprecherin Laura Merks. Statistisch betrachtet gebe es in Horn-Bad Meinberg noch immer weniger Kriminalität als in anderen lippischen Kommunen. „Wenn es überhaupt Delikte gibt, dann geht es in der Regel um Eigentum", sagt Merks. Sehr wohl gebe es allerdings einen Anstieg bei Ruhestörungen und Verunreinigungen. „Unsere objektiven Zahlen zeigen sicher nur einen Teil des Gesamtbildes", sagt Merks weiter. Auch das subjektive Sicherheitsempfinden der Menschen nehme die Polizei ernst.
Verstärkte Präsenz von Streifen der Polizei
Reagiert wird aus Kreis- und Rathaus etwa mit der verstärkten Präsenz von Streifen der Polizei und des Ordnungsamtes. In regelmäßigen Abständen ist die Polizei mit ihrer „Mobilen Wache" vor Ort, die Stadt schickt einen privaten Sicherheitsdienst auf die Straße und es werden Schilder aufgestellt: „Müll abladen verboten", „Achtung! Videoüberwachung" oder „Denkmal nicht betreten". Auch eine gemeinsame Razzia von Zoll, Ausländeramt und der Stadtverwaltung hat es bereits gegeben. Im vergangenen November wollte man damit gegen illegale Prostitution vorgehen. Gefunden wurde in dem verdächtigen Haus jedoch nichts.
Die Lage hat die Politik vor Ort allerdings so unter Druck gesetzt, dass die Verwaltung nun einen Hilferuf an die Landesregierung geschickt hat. Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat Vertreter der Stadt für September nach Düsseldorf eingeladen.