Kalletal/Berlin. Das Votum ist eindeutig: „Wir sprechen uns ausdrücklich gegen den Neubau, insbesondere gegen die vorgestellten Varianten 9 und 12 in der Gemeinde Kalletal aus!“ steht über den Stellungnahmen, die Bürgermeister Mario Hecker den lippischen Bundestagsabgeordneten im Deutschen Bundestag überreichte.
Zuvor hatte Bürgermeister Mario Hecker die Argumente von Fachleuten und Bürgern zusammengetragen, der Rat der Gemeinde nahm die Stellungnahmen dann zustimmend zur Kenntnis. Auch der Deutschen Bahn und dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr überreichte der Bürgermeister laut Mitteilung in Berlin die entsprechenden Dokumente.
Und darum geht es: Im Oktober hatte die Deutsche Bahn auf Einladung der Kalletaler Verwaltung zum Bahnprojekt Hannover–Bielefeld Stellung bezogen und zwölf Varianten vorgestellt, von denen zwei die Gemeinde Kalletal tangieren würden. Nicht nur das Interesse der Kalletaler Bürger war dabei groß, auch das Entsetzen über die Pläne, so Bürgermeister Hecker in der Pressemitteilung.
Online-Dialog mit über 2250 Bewertungen
Zeitgleich hatte die Verwaltung einen Online-Dialog unter der Überschrift „Kalletal erhebt seine Stimme!“ freigeschaltet und den Bürgern damit die Möglichkeit eröffnet, ihre Meinung zum Großprojekt auch lokal zu dokumentieren. 131 Beiträge zum Vorhaben mit 67 Kommentaren und über 2257 Bewertungen gingen ein. Die Ergebnisse wurden von der Verwaltung in einem 26 Seiten umfassenden Dokument zusammengefasst. Auch dieses überreichte Hecker den Abgeordneten in Berlin.
Im November erarbeitete der Bürgermeister mit Vertretern der KalletalerLandwirtschaft, Forstwirtschaft und der Jagd dann eine gemeinsameStellungnahme. Dabei werden unter anderem die Befürchtungen geäußert, dass der ohnehin schon sinkende Grundwasserspiegel durch die geplante Maßnahme verstärkt wird und sich veränderte Fließrichtungen ergeben könnten, die den Wassermangel noch verstärken würden. Überdies sei zu erwarten, dass das Trinkwasserversorgungsgebiet „Kalldorfer Sattel“ durch das Projekt erheblichen Schaden nehme. Dabei versorge der „Kalldorfer Sattel“ nicht nur das Kalletal, sondern eine ganze Region, wie zum Beispiel Bad Salzuflen oder auch Herford.
Biotope akut gefährdet
Die Landwirte bemängelten zudem, dass landwirtschaftliche Flächen untertunnelt oder auch aufgegeben werden müssten. Das wiederum würde zu großen Umwegen führen, um Ackerflächen zu erreichen. Der Neubau einer ICE-Strecke habe auch komplexe Auswirkungen auf die Jagd, da Lebensräume wegfielen oder auch durchschnitten würden.
Anfang Dezember hatte Hecker dann die Vertreter der Kalletaler Wirtschaft sowie des Natur- und Landschaftsschutzes und des Tourismus’ in das Rathaus eingeladen, um ihre Stellungnahmen einzuholen. Schnell sei man sich einige gewesen, dass vor allem die sensible Weseraue von der Trassenführung schwer getroffen würde. Ihre Funktion als Rast- und Ruheraum wandernder und überwinternder Vogelarten, aber auch als Lebensraum hochsensibler Arten wie dem Seeadler würde gefährdet.
Allein im Kalletal seien pro Jahr über 126.000 touristische Übernachtungen zu verzeichnen. Ein Wirtschaftszweig in Lippe, der mit 13 Millionen Tagesgästen und 2 Millionen Übernachtungen zu regionalökonomischen Effekten von 608 Millionen Umsatz in 2023 geführt habe, heißt es in der Pressemitteilung. Den Bürgern und Gewerbetreibenden, diemit Ferienwohnungen, Gaststätten, Hotels, Campingplätzen oder auch Sehenswürdigkeiten direkt oder indirekt ihren Lebensunterhalt bestreiten, würde somit die Geschäftsgrundlage entzogen.