Bauernprotest: Landwirt aus Kalletal wegen Nötigung auf Autobahn verurteilt

Bad Oeynhausen/Kalletal. Ein Landwirt aus Lippe will bei den Bauernprotesten im vergangenen Jahr &bdquo;aus Versehen“ mit seinem Trecker die Autobahn in Bad Oeynhausen blockiert haben. Der 62-jährige Kalletaler behauptet, &bdquo;vor Aufregung“ falsch abgebogen zu sein. Der angemeldete Protestzug mit etwa 100 Treckern zuckelte im Januar 2024 am Werre-Park vorbei, der Treckerfahrer aus Lippe aber fuhr - wie einige vor ihm - auf den Autobahnzubringer ins Autobahnkreuz, stand dort 1,5 Stunden lang herum und löste einen kilometerlangen Stau aus. Zahlreiche unbeteiligte Autofahrer mussten stundenlang bei Minusgraden ausharren.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat den Tischler, der nebenbei einen Kleinstbetrieb mit 1,2 Hektar Ackerland sowie Forstwirtschaft führt, wegen gemeinschaftlicher Nötigung vorm Amtsgericht Bad Oeynhausen angeklagt. Donnerstag war der mittlerweile dritte Prozesstermin. Acht Blockierern hat die Staatsanwaltschaft Bielefeld Strafbefehle geschickt. Nach NW-Informationen müssen sie Geldstrafen in Höhe von 50 Tagessätzen zu 40 Euro (2.000 Euro) zahlen. Sechs haben das akzeptiert. Ein Verfahren ist noch nicht rechtskräftig. Und auch der Landwirt aus Lippe gibt nicht klein bei. Ein Rechtsanwalt aus Detmold unterstützt ihn.

Ein Landwirt in Panik? Der Angeklagte erklärte sein Verhalten noch im ersten Prozesstermin damit, dass er angesichts des Polizeiaufgebots am Werre-Park kalte Füße bekommen habe. Vor lauter &bdquo;Aufregung im Tohuwabohu“ wollte er noch vor Beginn der eigentlichen Demo wieder zurück nach Kalletal. Dabei sei er falsch abgebogen. Der Landwirt war am Montagmorgen, 8. Januar 2024, mit anderen Treckerfahrern über Vlotho und die Vlothoer Straße nach Bad Oeynhausen gefahren, um seinen Unmut über die Politik der Bundesregierung kundzutun. Mehrere landwirtschaftliche Organisationen hatten zu Demonstrationen aufgerufen.

Weil sein Schlepper, ein 45 Jahre alter Renault, aber nicht mehr der Jüngste sei, habe er mit der Treckerkolonne aus Lippe nicht Schritt halten können, so der Angeklagte. Während andere Trecker geradeaus zur angemeldeten Demo rollten, habe er an der roten Ampel auf der Mindener Straße am Klärwerk kehrt gemacht, um in die Gegenrichtung nach Vlotho zurückzufahren.

Der Verteidiger erklärte, sein Mandant habe sich als letzter Treckerfahrer der Kolonne aus Lippe &bdquo;unglücklich“ auf den Standstreifen gestellt und sei dort nicht mehr weggekommen. Es sei jedoch nicht die Schuld des Angeklagten, dass sich dadurch &bdquo;versehentlich“ ein Rückstau auf der Autobahn bildete. Im ersten Prozesstermin spekulierte der Anwalt sogar, die Polizei habe womöglich die Autobahn blockiert, weil Streifenwagen mit Blaulicht und Martinshorn gegen die Fahrtrichtung dazugestoßen seien. Nun erklärte der Anwalt: Die Sperrung der Fahrbahn sei &bdquo;durch andere Trecker“ ausgelöst worden, nicht durch seinen Mandanten.

&bdquo;Da stehen große, blaue Tafeln“ Der Staatsanwalt wandte sich direkt an den Landwirt: &bdquo;Sie sind doch ein erfahrener Fahrzeugführer“, sagte er zum 62-jährigen Angeklagten. &bdquo;Da stehen große, blaue Tafeln, die weisen auf die Autobahn hin. Da kann man nicht aus Versehen abbiegen.“ Der Kalletaler habe die Blockade zwar nicht geplant, aber: &bdquo;Sie wollten sich am Protest beteiligten - und ein Zeichen setzen.“ Als dann der erste Trecker aus seiner Kolonne ausscherte, sei der Angeklagte gefolgt. &bdquo;Die Polizei hat damit nicht gerechnet.“

Der erste Autofahrer im Stau hinter dem Trecker aus Kalletal war ein Bankkaufmann aus Bad Oeynhausen, der zur Arbeit fahren wollte. Er machte an diesem Tag zwischen 7.46 Uhr und 9.02 Uhr zahlreiche Fotos. &bdquo;Ich habe Verständnis für den Bauernprotest“, sagte der 56-jährige Zeuge und schilderte seine damalige Lage: Der Standstreifen sei erst noch frei gewesen, dann habe aber der Trecker des Kalletalers die Lücke zugefahren. &bdquo;Es ist nicht mal eine Rettungsgasse freigehalten worden.“ Er verpasste einen Kundentermin und war &bdquo;entsprechend verärgert“.

Die Einsatzleiterin der Polizei beschrieb dem Richter, wie sie bei klirrender Kälte alle Treckerfahrer zu sich rief und aufforderte, die Blockade zu lösen. Sie war sich sicher: &bdquo;Die Rettungsgasse wäre im Notfall freigemacht worden.“ Ein Abschleppfahrzeug kam tatsächlich durch, wusste der Richter, andere Autofahrer aber nicht. Die Trecker blieben einfach stehen. Und das, obwohl mehrere Autofahrer im Stau deutlich machten, dass sie dringend mal auf Toilette müssten.

&bdquo;Märchenstunde der Staatsanwaltschaft“ Der Staatsanwalt hält die Beteiligung des Kalletalers an der Blockade für erwiesen. Es sei zwar nicht der Plan des Angeklagten gewesen, aber er habe sich im entscheidenden Moment beteiligt. Nur weil kein Auffahrunfall geschehen sei, erkenne er keine Straßenverkehrsgefährdung. Der Angeklagte sei uneinsichtig. Das sei beim Strafmaß zu berücksichtigen, der Staatsanwalt fordert deshalb eine höhere Geldstrafe als für die anderen Blockierer, nämlich 60 Tagessätze zu 80 Euro (4800 Euro).

Der Verteidiger hält die Darstellung des Staatsanwalts für eine &bdquo;Märchenstunde“. Sein Mandant sei schuldlos. Er fordert Freispruch.

Der Richter hat allerdings keine Zweifel an der Beteiligung des Landwirts an der Blockade und verurteilt den 62-jährigen Kalletaler wie vom Staatsanwalt beantragt wegen gemeinschaftlicher Nötigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. &bdquo;Sie wollten ein Zeichen setzen“, begründet der Richter sein Urteil. Auf den Fotos sei zu sehen, dass vor dem Trecker des Angeklagten Platz gewesen sei. &bdquo;Sie hätten einfach wegfahren können.“ Stattdessen habe er 1,5 Stunden auf der Autobahn verharrt. Die anderen Treckerfahrer hätten 50 Tagessätze bekommen. Dem läge aber auch eine &bdquo;Geständnisfiktion“ der Staatsanwaltschaft zugrunde. Das sei hier nicht der Fall.

Mit Blick auf das geschätzte Einkommen des Nebenerwerbslandwirts, er ist derzeit krankgeschrieben, setzte der Richter bloß 60 Euro Tagessatzhöhe an. Das macht unterm Strich eine Geldstrafe von 3.600 Euro. Der Angeklagte muss allerdings auch die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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