Weshalb der Kreis Lippe dringend neue Betreuerinnen und Betreuer sucht

Kreis Lippe. Empathie, Verständnis für andere Lebensweisen, Organisationsgeschick, Spaß an der Arbeit mit Menschen: All das sind Eigenschaften, die ein Berufsbetreuer oder eine Berufsbetreuerin unbedingt haben sollte, findet Diplom-Sozialarbeiter Ralf Künne. Die Kreis-Betreuungsbehörde, für die Künne zuständig ist, sucht aktuell händeringend nach qualifizierten Menschen, die diesen Job übernehmen können. Der gesamte Kreis sei darauf angewiesen. &bdquo;Aktuell ist die Situation erschreckend“, sagt Künne.

Ralf Künne selbst hat 1995 seine ersten Betreuungen übernommen, seitdem ist er dem Berufsfeld treu geblieben. In der Betreuungsbehörde des Kreises ist Künne seit Jahren ein wichtiges Bindeglied und Ansprechpartner für Betreuungsfragen. Dabei gilt: &bdquo;Berufsbetreuer sind Einzelkämpfer“, sagt er. Doch die Behörde übernehme eine wichtige Vermittlungsfunktion und mache Vorschläge gegenüber den zuständigen Amtsgerichten, welcher Betreuer oder welche Betreuerin für welchen Fall geeignet sein könnte. Alles laufe hier zusammen.

Professionelle Distanz ist entscheidend Zu 80 Prozent gehe es bei einer Betreuung seiner Erfahrung nach um Bürotätigkeiten, 20 Prozent machten den direkten Kontakt mit Menschen aus. Und dennoch könne der Job sehr intensiv sein und einem persönlich einiges abverlangen. Wenn die Polizei mitten in der Nacht mit dem alkoholkranken Betreuten vor der Wohnung des Betreuers stehe, gehöre das als große Ausnahme zu den Momenten, die man nicht so schnell vergisst. &bdquo;Man braucht auch eine professionelle Distanz, weil es Leute gibt, die fressen einen auf“, sagt Ralf Künne ehrlich. Abschrecken will er damit keinesfalls. Der Beruf sei anspruchsvoll, ja, aber er gebe auch unheimlich viel zurück.

Dennoch hat der Kreis Lippe derzeit ein großes Problem, für die etwa 6300 zu betreuenden Menschen in der Region geeignete Betreuerinnen und Betreuer zu finden. Die Behörde ist für das gesamte Kreisgebiet zuständig, mit Ausnahme der Stadt Detmold, die eine eigene Betreuungsstelle hat. Insgesamt werde derzeit in Lippe mit etwa 120 Betreuerinnen und Betreuern zusammengearbeitet. 69 davon sind in der Stammbehörde des Kreises Lippe registriert, 37 weitere stehen bei der Stadt Detmold auf der Liste. Dazu kommen noch etwa 14, die zwar außerhalb in Bielefeld oder Paderborn registriert sind, aber auch hier in Lippe Fälle übernehmen, sagt Künne.

Viele Aktive seien momentan überlastet und könnten keine weiteren Fälle annehmen. Dass im Frühjahr auch noch etwa 120 Betreuungen in der Zuständigkeit des Kreises sowie der Stadt Detmold von einer für einige Wochen in U-Haft sitzenden Detmolder Juristin neu verteilt werden mussten, habe die Situation nicht gerade entspannt.

Einzelfälle schaden dem Betreuer-Image

Die daraus resultierenden Negativschlagzeilen täten dem Berufsbild natürlich alles andere gut, sagt Künne. &bdquo;Gerade durch den aktuellen Fall geraten Betreuer unter Generalverdacht.“ Das versuche er in persönlichen Gesprächen zu entkräften. Beschwerden gebe es natürlich trotzdem immer wieder, das ließe sich nicht abstreiten. &bdquo;Beschwerden sind sehr vielschichtig - es geht von &bdquo;der Betreuer mischt sich zu viel ein“ bis hin zu &bdquo;der Betreuer macht zu wenig“.“ In solchen Fällen gebe es eine vom Amtsgericht initiierte Sachverhaltsermittlung, um den Hintergründen nachzugehen und Lösungsvorschläge zu finden.

Die Betreuungsbehörde müsse momentan großen Aufwand betreiben, um neue Betreuerinnen und Betreuer zu schulen. Nachdem die Betreuungszahlen an sich seit Jahren stagnierten, stiegen die Fälle dazu nun wieder an, sagt Künne. Nur die Klientel habe sich leicht verändert. &bdquo;Viele insbesondere Ältere haben sich durch eine Vorsorgevollmacht bereits abgesichert, dafür kommen inzwischen viele junge Personen mit multiplen Einschränkungen dazu“, sagt er. Die Bandbreite der Betreuungsgründe sei gewaltig.

Wer sich als Berufsbetreuer oder -betreuerin selbstständig machen möchte, müsse etwa 50 Fälle annehmen, um ein Sozialarbeiter-Gehalt zu erreichen, sagt Künne. Die Pauschalen seien je nach Aufwand und Erfahrung gestaffelt. Neben aller Herausforderung bringe die freiberufliche Tätigkeit auch Vorzüge mit, was die Zeiteinteilung und die Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeit anginge. Seit dem 1. Januar 2023 müssen Berufsbetreuerinnen und -betreuer einen Sachkundenachweis ablegen, um sich zu registrieren. So soll gesichert sein, dass Betreute bestmöglich unterstützt werden können.

Wer sich informieren möchte, kann mit der Betreuungsbehörde des Kreises unter betreuungsstelle@kreis-lippe.de einen Termin vereinbaren.

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