Prozess: Zufällige Begegnung am Bahnhof in Detmold endet mit Mordversuch

Detmold. Es müssen ins Mark gehende Hilferufe gewesen sein, die eine erfahrene Rettungssanitäterin (28) am Abend des 14. April dieses Jahres in Detmold in einem Nachbarhaus aus dem Schlaf gerissen haben. &bdquo;Das waren schreckliche Schreie, ich habe berufsbedingt ja schon einiges gehört, aber da war sofort klar, dass etwas Schreckliches passiert“, sagt die Zeugin am Freitagvormittag vor Gericht.

Keine zwei Meter Luftlinie von ihr entfernt sitzt währenddessen ein 29-jähriger Detmolder auf der Anklagebank. Er muss sich vor dem Schwurgericht wegen versuchten Mordes verantworten. Der Mann soll eine andere Frau (28) erst in seiner Wohnung und dann im Flur angegriffen und mehrfach gewürgt haben, weil sie seine Annäherungsversuche abgelehnt habe. Deshalb wirft Oberstaatsanwalt Christopher Imig ihm auch vor, die Tat aus niederen Beweggründen begangen zu haben.

Der Angeklagte blickt während des ersten Prozesstages die meiste Zeit nach unten. Ein Urteil fällt an diesem Tag nicht, das eigentliche Beweisprogramm ist für den Fortsetzungstermin geplant, erst dann kann der psychiatrische Sachverständige dabei sein, sagt der Vorsitzende Richter Karsten Niemeyer. Beim nächsten Mal will sich der Angeklagte auch selbst einlassen, das kündigen seine Verteidiger Martin Mauntel aus Bielefeld und Remzi Yalcin aus Detmold vorab an. Deutlich wird aber schon jetzt, dass es sich um einen außergewöhnlichen Fall handelt.

Denn während Gewalt gegen Frauen sich meistens als Beziehungstat herausstellt, kannten sich der mutmaßliche Täter und sein Opfer in diesem Verfahren gar nicht näher. Aus einer zufälligen Begegnung am Detmolder Bahnhof soll ein gemeinsames Döneressen und dann ein Zwischenstopp in der Wohnung des Angeklagten resultiert sein. Das berichtet die Rettungssanitäterin als Zeugin vor Gericht. Sie hatte die verletzte 28-Jährige noch am Tatort untersucht, nachdem die Polizei sich Zutritt zum betroffenen Wohnhaus verschafft hatte.

Vom Krieg geflüchtet, in Detmold angegriffen &bdquo;Die Situation war sehr schwierig für sie“, sagt Rechtsanwältin Deborah Weinert, die das Opfer in der Nebenklage vertritt. &bdquo;Sie ist extra vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet, um hier in Sicherheit zu sein, und wird dann in Deutschland tätlich angegriffen.“ Ihre Mandantin habe sich nach dem Vorfall psychologische Hilfe gesucht, inzwischen gehe es ihr besser.

Der Anklage nach soll der 29-Jährige seine Wohnungstür abgeschlossen und die 28-Jährige später unvermittelt angegriffen haben, als diese seine Annäherungsversuche abblockte. Die Frau habe letztendlich die Tür eintreten können, im Flur soll der Mann aber nicht von ihr abgelassen haben. Mehrfach soll er sie gewürgt und geschlagen haben. Das Opfer selbst habe sich zwischendurch tot gestellt haben, damit der Täter von ihr ablasse. Die Kammer will noch klären, ob beide die Treppe hinuntergestürzt sind oder jemand gestoßen wurde. An der rechtlichen Bewertung ändere das nichts, sagt Richter Niemeyer.

&bdquo;Jemand schrie um Hilfe“ Die Rettungssanitäterin, an diesem Prozesstag die einzige Zeugin, erinnert sich noch, dass viele Menschen offenbar von den Schreien gegen 22 Uhr aufgeschreckt auf der Straße standen. Einige schauten aus dem Fenster. In welchem Haus sich die Tat abspielte, sei schnell klar, aber die Tür verschlossen gewesen. &bdquo;Jemand schrie um Hilfe und wurde bedroht, das konnte man deutlich hören“, sagt die Zeugin. Zwischendurch habe es sich auch so angehört, als sei jemand die Treppe heruntergefallen.

Die von Zeugen gerufene Polizei brach die Tür auf und konnte den Angreifer dann letztendlich von der Frau ziehen, so der Stand der Ermittlungen. Bei seiner Festnahme soll sich der Mann vehement widersetzt haben, auch das ist angeklagt. Das Opfer selbst habe horizontale Male am Hals gehabt und gefasst gewirkt, sagt die Rettungssanitäterin. &bdquo;Das hat mich gewundert, sie muss noch voller Adrenalin gewesen sein.“ Fremde Blutspuren an ihrem Knöchel deuteten außerdem an, dass sie sich gegen ihren Angreifer gewehrt haben muss.

Der Prozess wird am 25. Oktober fortgesetzt.

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