"Lippe vereint": Der Fluch der Friedenstaube

Kreis Lippe. Es hätte eigentlich eine Veranstaltung im Zeichen des Friedens und der Völkerverständigung sein sollen: &bdquo;Lippe vereint“, unter diesem Motto sind diverse Vereine aus Lippe der Einladung des Vereins &bdquo;Freundschaft – Druschba“ zur Phoenix-Contact-Arena gefolgt. Allerdings kam es bereits zu Beginn der unter anderem vom Land NRW geförderten Veranstaltung zu einem Eklat, in dessen Anschluss ein Verein das Gelände wieder verließ.

31 Vereine und Institutionen nahmen am &bdquo;Markt der Möglichkeiten“ teil, bei dem sie sich den Besuchern präsentierten und für Gespräche zur Verfügung standen. Manche gestalteten auch das umfangreiche Bühnenprogramm mit, bei dem sich musikalische Darbietungen mit Vorträgen und Tanzvorführungen abwechselten. Am späteren Abend traten DSDS-Teilnehmer Daniele Negroni und Sänger Viktor Baum auf.

Doch bevor das alles richtig begann, hatten die Veranstalter eine symbolträchtige Geste in Petto: Die Honoratioren – darunter Landrat Dr. Axel Lehmann und Landesverbandsvorsteher Jörg Düning-Gast mit je einem Grußwort sowie einige Bürgermeister – erhielten jeweils eine weiße Taube, um sie vor dem Gebäude gemeinsam gen Himmel steigen zu lassen. Sehr zum Entsetzen einiger Mitglieder des Vereins &bdquo;Unsere Hände für viele Pfoten“, die sich mit einem Infostand beteiligten und später auch einen Part auf der Bühne übernehmen sollten.

Schockiert über "Grobheit" &bdquo;Einige unserer jungen Frauen waren total entsetzt und sprachen von Tierquälerei“, berichtet Vereinsvorsitzende Marianne Rautenberg. Die Tauben hätten in einem sehr engen Käfig zu nahe am Musikensemble gesessen und aufgeregt gewirkt.

Sie selbst sei vor allem schockiert gewesen, wie &bdquo;grob“ ihrer Wahrnehmung nach der Halter der Tauben die Tiere aus der Box geholt und den Honoratioren in die Hand gedrückt habe. Als sie ihr Missfallen geäußert und gefordert habe, die Aktion abzubrechen, sei sie von den Umstehenden – aus ihrer Sicht offenbar dem Verein Druschba nahe stehenden Festgästen – übel angegangen und beschimpft worden.

"Ich habe mich beleidigt gefühlt" &bdquo;Der Halter hat gesagt, er kommt aus Sibirien und er weiß schon, wie man mit den Vögeln umgeht“, berichtet sie, und einige Frauen hätten auf deren ehrenamtliche Arbeit für Kinder in Afrika hingewiesen, um die solle man sich mal lieber kümmern, nicht um Tiere. &bdquo;Ich habe mich sehr beleidigt gefühlt“, erzählt Marianne Rautenberg.

Die Chance, zum Thema Tierschutz aufzuklären und ihre Bühnenzeit dafür zu nutzen, habe sie dann trotz des Appells von Veranstaltungsleiter Richard Chappelle nach Rücksprache mit ihren jüngeren Mitstreiterinnen verstreichen lassen. &bdquo;Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir hier überhaupt durchgedrungen wären.“ Das tue ihr ausgesprochen leid: &bdquo;Gerade diese Klientel müssen wir erreichen, wenn es beispielsweise um die Kastrationspflicht geht. Denn viele kümmern sich nicht darum.“

Doch was ist dran an dem Vorwurf der Tierquälerei? – &bdquo;Der Halter hat mir genau erklärt, wie ich die Taube halten muss, um ihr nicht wehzutun. Sie hat ganz ruhig in meiner Hand gesessen“, sagt Jörg Düning-Gast. Und Dr. Axel Lehmann erklärt: &bdquo;Die Aktion war vom Halter eng begleitet worden. Ich habe mich wie viele andere Gäste auch auf den Veranstalter verlassen, dass alles in Ordnung ist und den geltenden Regelungen entspricht.“

Weiße Brieftauben aus Züchterhand Recherchen der LZ ergaben, dass es sich bei den weißen Tauben tatsächlich um Brieftauben handelte, die von einem Druschba-Vereinsmitglied gezüchtet worden sind. Sie hätten den heimischen Schlag angesteuert und seien gut dort angekommen. &bdquo;Wir wissen, dass er seine Tiere liebt und sie gut behandelt“, betont Organisator Richard Chapelle.

Weiße Brieftauben leben auch im Vogelpark Heiligenkirchen. Die LZ wollte von Betreiber Marc-Philipp Eckstein wissen, was er von so einer &bdquo;Friedenstaubenaktion“ hält. &bdquo;Es ist schwierig, darüber zu urteilen, wenn man nicht dabei war. Aber auch weiße Brieftauben sind standorttreu und fliegen zurück in ihren Schlag. Unsere drehen mehrmals am Tag eine Runde, das brauchen sie.“ Dass die Tiere in einem engen Käfig gesessen hätten, sei richtig so: &bdquo;Sonst ist die Verletzungsgefahr zu groß, die sind ja darauf trainiert.“ Für kurze Zeit sei das tolerabel.

Veterinäramt warnt Auch das Veterinäramt des Kreises Lippe hat kein Problem mit der Nutzung von Brieftauben, sofern sie artgerecht gehalten, trainiert und behandelt würden. Die Veterinäre warnen aber davor, Tauben im Internet zu ordern: Diese seien oft &bdquo;untrainiert und ungeeignet. Tierhalter sind nicht sachkundig und uninformiert.“ Ungeeignet seien auch weiße Pfauentauben mit den aufgefächerten Schwanzfedern, weil die nicht zurückfänden und gefährdet seien. Weiße Brieftauben liefen übrigens mitnichten Gefahr, von Falken geschlagen zu werden – das passiere eher den bunten Tauben.

Der ehemalige Kreisveterinär Dr. Ulrich Kros ist mit Brieftauben aufgewachsen und hält die Nutzung von trainierten Vögeln als Friedens- oder Liebessymbole bei entsprechendem Umgang eher für unproblematisch. Er sagt aber auch: &bdquo;Es ist sehr schwer, Vögeln Stress anzusehen.“

Pfauentauben sind tabu Peter Brocks, professioneller Verleiher von Hochzeitstauben aus dem Münsterland, sagt: &bdquo;Pfauentauben für den Flug zu benutzen, ist tierschutzrelevant.“ Er trainiere seine selbst gezüchteten weißen Brieftauben von Anfang an mit dem Korb, aus dem sie später auf Hochzeiten frei gelassen werden. Sie seien gewohnt, regelmäßig in die Hand genommen zu werden und hätten damit keinen Stress. Der Spaß kostet bei ihm für zehn weiße Tauben im Freiflug ab 180 Euro. &bdquo;Ich weiß, dass es viele schwarze Schafe in der Branche gibt. Aber es gibt eben auch Leute wie mich, die ihre Tauben lieben.“

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