Ein Arztlotse soll Mediziner nach Lemgo locken

Lemgo. Noch liegt die ärztliche Versorgung in Lemgo im stabilen Bereich. Das zumindest meint die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe und verweist auf eine Versorgungsquote von 76,6 Prozent. Doch der Puffer ist dünn: Unter 75 Prozent gilt eine Region als unterversorgt. Zeit also, Vorsorge zu treffen. Das zumindest meint Felix Rullmann von der SPD und hat zusammen mit seinem Parteikollegen Pavlos Poursanidis ein erstes Konzept für einen Arztlotsen dem Bürgermeister zur Prüfung vorgelegt.

Fast die Hälfe der Ärzte ist bereits über 60 Jahre alt

Ein Arztlotse für die Region könnte dazu beitragen, die medizinische Versorgungslage in Lemgo und Umgebung nachhaltig zu verbessern oder zumindest stabil zu halten, so Felix Rullmann. Schon jetzt müssten Patienten teils lange auf Termine warten und angesichts der Altersstruktur der Ärzteschaft drohe sich die Situation zu verschärfen. So sind laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVWL) 46 Prozent der Hausärzte im zusammengefassten Mittelbereich Lemgo/Kalletal über 60 Jahre alt. Damit liegt die Altersstruktur noch über der in Westfalen-Lippe von 40 Prozent.

Daher sei es sinnvoll, sich frühzeitig aktiv um den Nachwuchs zu kümmern, so Felix Rullmann und verweist dabei auch auf Beispiele aus Steinfurt und Höxter. Wichtig ist Rullmann der ganzheitliche Ansatz, das heißt, frühzeitig schon bei den Schulabgängern anzusetzen, medizinische Studenten für Lemgo zu sensibilisieren und weitere Anreize für Ärzte aus anderen Regionen schaffen.

Arztlotse mit drei Aufgabenfeldern

Drei Aufgabenfelder stellt der Sozialdemokrat dabei heraus: So sollte der Lotse als eine Art Headhunter ausgebildete Ärzte und Ärztinnen für die Region werben, den Mark sondieren und Fachpersonal konkret ansprechen. Wichtig sei es dabei, auf die besonderen Bedürfnisse einzugehen und Hilfe etwa bei der Wohnungssuche, beim Kitaplatz oder auch beim Job für den Lebenspartner zu bieten.

Darüber hinaus sollte es Aufgabe des Lotsen sein, Medizinstudenten an Lemgo zu binden. &bdquo;Es reicht nicht, dass sie mit Bahn oder Auto anfahren, ihre Arbeitszeit hier verbringen und dann wieder zurück nach Bielefeld oder in ihren Wohnort fahren.“ Wichtig sei es, eine Bindung zu Lemgo zu schaffen, ist Rullmann überzeugt, den Medizinstudenten zu zeigen, dass es sich lohnt, in Lemgo zu bleiben. Das könne zum Beispiel durch Aktionstage angeschoben werden, die die kulturelle Vielfalt und auch die schöne Stadt und Landschaft präsentieren. Auch Wohnungen könnten vermittelt werden, schließlich gebe es in der Innenstadt derzeit einen Leerstand von gut zehn Prozent. Denn: Wer einmal hier wohne, werde schnell erfahren, wie lebenswert die alte Hansestadt ist. Schon die Schulabgänger kontaktieren

Generell möchte Rullmann frühzeitig ansetzen: So könnte der Arztlotse bereit bei den Abiturjahrgängen nach möglichen medizinischen Aspiranten fragen, eine Datenbank anlegen, mit den Lippern in Kontakt bleiben und konkret nachhaken, um sie oder auch ihre Kommilitonen als Ärzte zurück nach Lemgo zu holen. Wichtig sei es letztlich auch, zwischen abgebenden und suchenden Ärzten zu vermitteln sowie passende Praxisräume zu finden. Das sei zwar auch ein Thema der KVWL, doch natürlich wisse man dort nur wenig von den individuellen Bedürfnissen in Lemgo, hier könnte es intensiveren Austausch geben. Projekt gemeinsam mit Kalletal aufstellen

Das Projekt Arztlotse würde Rullmann gerne gemeinsam mit Kalletal auf die Beine zu stellen. Zum einen, weil die Kommunen bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Teilen zusammengefasst sind, zum anderen aber auch, weil es bereits auf anderen Ebenen eine gute Zusammenarbeit gebe (Beispiel Smart Cities). Erste Gespräche habe er bereits mit den Bürgermeistern, Fraktionen und auch mit dem Landrat geführt – mit durchaus positiver Tendenz – und dabei auch eine mögliche Finanzierung angesprochen. So sollte geprüft werden, ob die Stelle des Arztlotsen mit Hilfe von Leader-Fördermitteln der EU realisiert werden könnte. Auch eine Co-Finanzierung von Kreis und Kommunen sei denkbar. Einen finanziellen Anreiz für Mediziner zu schaffen, so wie es Nachbarkommunen machen, hält Felix Rullmann indes für wenig sinnvoll. &bdquo;Das würde uns in einen finanziellen Wettstreit führen. Wir sollten statt mit Geld mit Inhalten überzeugen.“

Für das Pilotprojekt setzt er ersten Plänen zufolge fünf Jahre an. Dann sei der erste Medizinstudiengang in Bielefeld durch und ein Resümee möglich. Weitere Expertise für seinen Antrag erhofft sich Felix Rullmann jetzt von Verwaltung und Politik und hat auch dabei keine Angst vor kontroversen Diskussionen in den Ausschüssen. &bdquo;Schließlich können uns auch kritische Anregungen auf dem Weg zu einer besseren Arztversorgung weiterbringen.“

Die Statistik

Laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) liegt die Versorgungsrate mit Hausärzten im zusammengefassten so genannten Mittelbereich Lemgo/Kalletal derzeit bei 76,6 Prozent. Damit sei die Arztlage im noch stabilen Bereich. Unter 75 Prozent gilt eine Region hingegen als unterversorgt. 25 Hausärzte arbeiten der Auflistung zufolge in beiden Kommunen in Vollzeit. 46 Prozent von ihnen sind über 60 Jahre alt. Damit ist die Ärzteschaft relativ alt – in Westfalen-Lippe liegt der Prozentsatz bei 40 Prozent. In ihren Berechnungen geht die KVWL von 1609 Einwohnern pro Hausarzt aus. Dann läge die Versorgungsquote bei 100 Prozent. Im Mittelbereich Lemgo/Kalletal fehlten dafür derzeit noch acht Zulassungen.

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