Wie die Lippische Landeskirche dem demografischen Wandel trotzt

Lemgo. Die evangelische Kirche muss sich wandeln. Mitgliederzahlen sinken und Stellen bleiben unbesetzt. Die Situation in Deutschland ist dabei kein Einzelfall. Daher hat sich der Lutherische Weltbund (LWB) mit seinen 149 Mitgliedskirchen bei der diesjährigen Vollversammlung die Erneuerung der Kirche groß auf die Fahne geschrieben. Superintendent Dr. Andreas Lange, der Pfarrer in der Kirchengemeinde St. Nicolai in Lemgo ist, vertritt die Lippische Landeskirche beim LWB. Im LZ-Gespräch spricht er über junge Menschen in der Kirche, den demografischen Druck auf die Pfarrstellen im Kreis und christlich motivierten Klimaschutz.

Herr Dr. Lange, mangelt es der Kirche an jungen Menschen?

Dr. Andreas Lange: Ja, es fehlt an jungen Leuten. Wir haben immer noch viele Konfirmanden. Mit der Konfirmation verschwinden jedoch viele wieder. Das ist nie anders gewesen. Meine Erfahrung ist aber auch, dass wenn man für die Zeit nach dem Schulabschluss Möglichkeiten zum Engagement bietet, finden sich oftmals mehr Interessierte als man braucht.

Das betrifft aber vor allem übergeordnete Strukturen wie die Gemeinschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Auf der lokalen Ebene sieht das anders aus.

Andreas Lange : Das ist teilweise so. Heruntergebrochen auf eine örtliche Gemeinde sind viele der Angebote Programme für ältere Menschen. Auf der anderen Seite haben wir zum Beispiel in der Gemeinde St. Nicolai einmal im Quartal eine Bastelkirche für junge Familien. Da müssen wir die Anmeldelisten in der Regel schließen, weil sich so viele junge Familien anmelden wollen.

Gibt es Angebote für junge Menschen in die Gremien der Gemeinden zu kommen?

Andreas Lange: Die Lippische Landeskirche und jeder Kirchenvorstand in Lippe hat eine Quote und muss mindestens zwei Mitglieder unter der Altersgrenze von 27 Jahren vorweisen können. Das gelingt nicht überall. Aber allein, dass es die Quote gibt, hilft schon. Außerdem haben wir in Lippe eine Altersobergrenze. Mit 75 Jahren muss man aus den Gremien ausscheiden.

Zeitgleich drückt der demografische Wandel auf die Besetzung der Pfarrstellen. Gibt es genug Nachwuchs?

Andreas Lange: Das sah eine Zeit lang richtig mau aus. Junge Menschen hatten nicht den Mut, das nötige Studium anzufangen. Der äußeren Wahrnehmung nach war die Kirche auf dem absteigenden Ast. Weniger Mitglieder bedeuten weniger Stellen und so weiter. Inzwischen haben wir in Lippe über 20 Theologiestudenten, die sich für eine spätere Stelle im Kreis Lippe entschieden haben. Insgesamt haben wir in Lippe um die 100 Pfarrstellen.

Wirbt die Lippische Landeskirche dafür aktiv Studenten an den Universitäten an?

Andreas Lange: Nein. Das sind meistens lippische Studenten. Üblicherweise setzen sich die Studenten bei einer Landeskirche auf eine Liste. Als kleines Bonbon gibt es dann ein Büchergeld als Förderung. Außerdem bekommen sie die Garantie, dass sie ihr Vikariat bei ihrer Wunsch-Landeskirche machen können.

Das bedeutet unterm Strich?

Andreas Lange: Der Bedarf an Nachwuchs ist gewachsen, obwohl durch sinkende Mitgliederzahlen rechnerisch auch weniger Pfarrer gebraucht werden. Allerdings ist der Pensionierungsschub sehr groß. In fünf bis zehn Jahren ist ein Großteil der jetzt noch aktiven Pfarrer im Ruhestand. Davon abgesehen müssen die sinkenden Mitgliederzahlen auch ins Verhältnis gesetzt werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es ein großes Wachstum an Mitgliedern und Geld in den Kirchengemeinden. Das war, so scheint es, eine Ausnahmezeit.

Die evangelische Kirche fällt mit politischen Äußerungen zu Themen auf, die besonders junge Menschen interessieren. So haben sich beispielsweise die Präses der EKD Synode als auch der Pfarrer der Kirchengemeinde Lemgo-Brake öffentlich mit den Demonstranten in Lützerath solidarisiert. Warum?

Andreas Lange: Die Kirche kommt mit dem Auftrag zur Schöpfungsverantwortung und einer guten biblischen Begründung daher. Eigentlich liegt es in der DNA von Kirche, sich für eine lebenswerte Welt einzusetzen. Insofern ist man da, eventuell mit einer anderen Motivation als in einer Bürgerbewegung, im Konkreten ganz nah beieinander.

Spiegelt sich diese Haltung auch in den einzelnen Kirchengemeinden wider?

Andreas Lange: Ja. Ich finde immer gut, wenn Menschen fragen: &bdquo;Was kann ich persönlich tun?“ Wir haben zum Beispiel im Kirchenvorstand in St. Nicolai eine Frau, die bei der Fairtrade-Initiative engagiert ist. Oder eine Oberstufenschülerin, die bei mir auf der Internetseite der Gemeinde zu Themen über Fairtrade bloggt. Gleichzeitig singt sie in der Kantorei. Für sie gehört das zusammen. Aus dem Christlichsein folgt für sie nicht der regelmäßige Kirchgang, sondern dieses politische Engagement.

Zur Person Dr. Andreas Lange ist Pfarrer in St. Nicolai in Lemgo und lutherischer Superintendent. Er vertritt die Lippische Landeskirche beim Lutherischen Weltbund (LWB) und ist Vizepräses der EKD-Synode. Der 58-jährige Theologe ist verheiratet und hat drei Kinder. 2017 promovierte er im Feld der Diakoniewissenschaften. Der LWB ist eine weltweite Gemeinschaft lutherischer Kirchen und wurde 1947 in Lund gegründet. Es gibt 149 Mitgliedskirchen, denen mehr als 77 Millionen lutherische Christen in 99 Ländern angehören. Alle sieben Jahre kommen Delegierte aus der gesamten Welt für eine Vollversammlung zusammen, um die Richtung und die Themen der Gemeinschaft für die kommenden Jahre zu setzen.

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