Gerhard Schemmel verlässt nach 21 Jahren den Chefsessel

Leopoldshöhe. Ob er drei Markenzeichen der Gemeinde auf der Höh’ benennen könne, mit denen er besonders zufrieden ist? &bdquo;Kein Problem“, sagt Gerd Schemmel, ohne überlegen zu müssen. Da ist der Umbau des Marktplatzes, die Familienfreundlichkeit, die insgesamt hohe Lebensqualität. Beste Voraussetzungen also für Leopoldshöhe, das vom Land prognostizierte Bevölkerungswachstum stemmen zu können. Bis 2040 sollen zu den gut 16.000 Einwohnern weitere 2000 dazustoßen, hat IT NRW errechnet. &bdquo;Da sind wir vorbereitet, dafür haben wir viel getan.“

Der Bürgermeister meint mit &bdquo;wir“ die Kommunalpolitiker und die Verwaltung, auch sich selbst. Und er verbessert sich, als es um Fragen der Zukunft geht: Dann wandelt sich das &bdquo;Wir“ in &bdquo;mein Nachfolger“, denn Schemmel (66) wird dem harten Kern bald nicht mehr angehören, nicht mehr an verantwortlicher Position handeln. Er geht Ende Oktober in den Ruhestand, nach 21 Jahren als hauptamtlicher Bürgermeister.

Über die Stichwahl in den Chefsessel Politisch gedacht hatte der studierte Sozialpädagoge schon im ersten Leben im Jugendamt Bad Salzuflen; wo er bis 1999 gearbeitet hatte. Das kommunalpolitische Handwerk lernte Schemmel dann als Ratsmitglied in Leopoldshöhe, er war Ausschussvorsitzender und stellvertretender Bürgermeister. 1999 durfte er sich auf den Chefsessel im Rathaus setzen. Dass er ihn erst 21 Jahre später wieder räumen würde, war natürlich längst nicht so abzusehen.

Der Sozialdemokrat hatte gegen den Christdemokraten Hans-Joachim Niehage erst in der Stichwahl gewonnen. &bdquo;Allzu gerne wollte die CDU das rote Rathaus knacken“, erzählt er und lacht. &bdquo;Da gab es damals schon heftige Auseinandersetzungen, viele Vorurteile. Das haben die Bürger oft nicht verstanden.“ Und im Anschluss an die Dezember-Sitzung im Klönkeller &bdquo;O du fröhliche“ zu singen, als ob man sich ein paar Minuten zuvor bei der Haushaltsdebatte nicht angegiftet hätte, &bdquo;das war schon doof“.

Das Klima im Rat ist freundlicher geworden Schnee von gestern, Kategorien wie &bdquo;schwarz“ oder &bdquo;rot“ gehören heute glücklicherweise der Vergangenheit an, sagt der scheidende Bürgermeister. &bdquo;Heute könnte man das wieder machen, eine Weihnachtsfeier. Das Klima im Rat hat sich sehr stark verbessert.“ Schemmel benutzt gar das Wort &bdquo;freundschaftlich“. Und wie hat er selbst sich in all den Jahren verändert? &bdquo;Ich bin mir treu geblieben“, sagt er. &bdquo;Klientelpolitik wird mir keiner nachsagen können. Ein Bürgermeister sollte für alle Bürger da sein. Gerade in so einer überschaubaren Gemeinde wie bei uns begegnet man sich ja immer wieder.“ Da müsse man sich in die Augen gucken können. &bdquo;Das mag pathetisch klingen. Aber es gilt, seine Gemeinde zu lieben, das Unverwechselbare an ihr zu spüren – dann geht das gut für einen Bürgermeister.“

Ihm ist das offensichtlich gelungen, schließlich haben die Leopoldshöher ihn vier Mal wiedergewählt. Sie scheinen es zu schätzen, dass es zehn als Familienzentren zertifizierte Kitas gibt, davon vier in Gemeinde-Trägerschaft, gute Verkehrsanbindungen mit Bus und Bahn, reges Vereinsleben, gut ausgebaute Schulen, Bauplätze, Einkaufsmöglichkeiten in den Ortsteilen... &bdquo;Dieses Pfund dürfen wir nicht verspielen“ appelliert er und nutzt das &bdquo;wir“ wieder automatisch.

Guter Draht zu den Amtskollegen Die Parteipolitik spiele also heute nicht mehr die große Rolle wie anno tuck, auch Gemeindegrenzen sind durchlässiger geworden. Das Leader-Projekt gemeinsam mit Lage und Leopoldshöhe stehe für dieses Miteinander, übrigens auch die Kehrmaschine, die Leopoldshöhe gemeinsam mit Oerlinghausen gekauft hat. Schemmel kommt zugute, dass er persönlich mit den Protagonisten der Nachbarkommunen gut auskam und auskommt, &bdquo;dann kann man sowas machen.“ Kooperation sei angesichts leerer kommunaler Kassen der Weg der Zukunft, Gelder für Prestigeobjekte gebe es ohnehin nicht mehr. &bdquo;Der SPD-Spielplatz oder die CDU-Kita – die sind Vergangenheit.“ Stolz ist er auf die gemeinsam Lösung für Asemissen, auf das Begegnungszentrum &bdquo;B vier“.

Keine Abschiedsparty Gern hätte Schemmel das &bdquo;Wir“ noch einmal gewürdigt, gern hätte er sich von seinen Leuten im Rathaus, auch von den Freunden in den Partnerstädten, ordentlich verabschiedet. Das geht aus bekannten Gründen nicht. Doch diese Worte des Bedauerns verflüchtigen sich schnell, ein &bdquo;davon geht die Welt nicht unter“ folgt. Da habe er in den vergangenen sechs Monaten ganz anderes erlebt. &bdquo;Corona hat uns ganz schön geprägt. Darauf war niemand vorbereitet.“ Verfügungen vom späten Freitagabend bis Montagmorgen umsetzen und lieb gewonnene Veranstaltungen absagen zu müssen, Schulen zu schließen... Schemmel musste sich als Krisenmanager beweisen. Da kann er es verschmerzen, dass es keine Abschiedsparty geben wird.

Gerhard Schemmel geht zufrieden in den Ruhestand, freut sich auf Zuhause (&bdquo;da ist es nie langweilig“), auf Zeit mit den beiden Enkeln, auf den zu restaurierenden John-Deere-Traktor in der Scheune, will der AWO und der Bürgerstiftung treu bleiben. Aus der Tagespolitik werde er sich heraushalten, versprochen. Einen Wunsch hat er aber doch: &bdquo;Die Gesellschaft verändert sich. Wir müssen die Prozesse im Auge behalten, die Strukturen. Das müssen wir hinkriegen.“ Da ist es wieder – das &bdquo;Wir“.

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