Hochspannung bei 128 Stichwahlen: Wo es in NRW eng wird

Düsseldorf/Bielefeld. Herzschlagfinale in der Herzkammer der Sozialdemokratie: In der Westfalen-Metropole Dortmund droht die SPD erstmals seit 74 Jahren den Posten des Oberbürgermeisters zu verlieren.

Seit dem die Grünen in der 600.000-Einwohner-Stadt ihren Wählern empfohlen haben, bei der Stichwahl am Sonntag den CDU-Kandidaten Andreas Hollstein zu wählen, könnte es tatsächlich so weit sein. Es wäre ein weiteres fatales Symbol für den Niedergang der SPD.

Die Wahl in Dortmund ist eine von insgesamt 128 Stichwahlen, mit denen die Kommunalwahlen in NRW am Sonntag in die zweite und entscheidende Runde gehen. In 15 kreisfreien Großstädten, darunter Bielefeld, und in elf Landkreisen, darunter Lippe und Minden-Lübbecke, treten die beiden Kandidaten und Kandidatinnen, die im ersten Wahlgang vor zwei Wochen die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnten, gegeneinander an.

Kreis Lippe Im Fokus hier: der Kampf ums Landratsamt. Axel Lehmann von der SPD lag am 13. September vorn. Doch Jens Gnisa mit knapp acht Prozentpunkten Rückstand hat noch Chancen. Stichwahlen um das Bürgermeisteramt gibt es auch in den Kommunen Augustdorf, Schlangen, Extertal, Dörentrup, Blomberg und Horn-Bad Meinberg. Am ärgerlichsten ist die zweite Runde für SPD-Mann Christoph Dolle in Blomberg. Ihm fehlten 0,2 Prozent zum direkten Sieg. Ungewöhnlich ist die Entscheidung in Extertal. Hier schafften es weder CDU noch SPD in die Stichwahl. Die fechten Frank Meier (Zukunft Extertal) und der FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Sauter aus.

Kreis Herford In der Kreisstadt Herford ist die Sache zwar erledigt, doch in vier anderen Kommunen stehen die Bürgermeister noch nicht fest. In Bünde bahnt sich eine der knappsten Entscheidungen in OWL an. der Unterschied zwischen Martin Schuster (CDU/FDP) und Susanne Rutenkröger im ersten Wahlgang betrug nicht einmal einen Prozentpunkt. Schuster lag mit 37,9 Prozent vor der Rivalin mit 37,0. In Enger und Hiddenhausen stehen sich Kandidaten von CDU und SPD gegenüber, in Rödinghausen trifft Sozialdemokrat Siegfried Lux auf Einzelbewerber Sven-Eric Adam.

Kreis Minden-Lübbecke Der zweite Kampf um einen Landratsposten in der Stichwahl tobt in Minden-Lübbecke. Anna Bölling (CDU) und Ingo Ellerkamp (SPD) treten an. Favoritin ist Bölling, die im ersten Wahlgang fast 15 Prozent vor dem Konkurrenten lag. Stichwahlen gibt es auch in Hille und Hüllhorst sowie in Bad Oeynhausen, wo Amtsinhaber Achim Wilmsmeier (SPD und andere) Lars Bökenkröger von der CDU noch einholen will.

Bielefeld Verliert Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen tatsächlich sein Amt? Der SPD-Politiker musste überraschend in die Verlängerung. CDU-Herausforderer Ralf Nettelstroth lag zwar im ersten Wahlgang zehn Prozent hinter Clausen – aber man weiß ja nie. Generell gilt Bielefeld eher als links wählend, doch die Parteienlandschaft in OWLs Metropole ist unübersichtlich geworden. Wie werden die Anhänger der anderen Parteien und Initiativen abstimmen?

Kreis Gütersloh Überraschung auch in Gütersloh: Amtsinhaber Henning Schulz (CDU) muss gegen den parteilosen Norbert Morkes in die Stichwahl. Ein Grund dafür: Die dritt- und viertplatzierten Gitte Trostmann von den Grünen und Volker Richter (SPD), die mit 21 und 15 Prozent so viel vom Kuchen wegnahmen, dass keiner der anderen beiden 50 Prozent erreichte. Gleich in fünf weiteren Kommunen des Kreises Gütersloh ist nachsitzen angesagt: in Harsewinkel, Herzebrock-Clarholz, Steinhagen, Halle und Werther.

Kreis Höxter In der Kreisstadt Höxter haben die Bürger die Wahl zwischen Daniel und – Daniel. Daniel Razat von der CDU will Einzelbewerber Daniel Hartmann auf Distanz halten. In Nieheim und Marienmünster werden die Wähler ebenfalls ein zweites Mal an die Urne gerufen. In Nieheim ist das Rennen offen. Im ersten Wahlgang holte Johannes Schlütz 32,1 Prozent, Konkurrent Rainer Vidal Garcia 31,9 Prozent. Beide starten unabhängig.

Kreis Paderborn Hier gibt es nur eine Stichwahl: in Lichtenau könnte Ute Dülfer einzige SPD-Bürgermeisterin im CDU-geprägten Kreis werden. Ihr Konkurrent ist Josef Eich (CDU).

Aachen könnte größte Grünen-Hochburg werden Neben dem Drama in Dortmund stehen in NRW noch die Stichwahlen in der Landeshauptstadt Düsseldorf und in Aachen im Fokus. Ausgerechnet Aachen, der Heimatstadt von CDU-Ministerpräsident Laschet, könnte die größte Hochburg der Grünen in NRW werden.

Sibylle Keupen, nicht Mitglied, aber Kandidatin der Grünen und fest verwurzelt im für Aachen wichtigen katholischen Milieu, geht mit einem großen Vorsprung vor dem CDU-Bewerber Harald Baal ins Finale. In Düsseldorf wackelt Amtsinhaber Thomas Geisel (SPD). Ihm droht eine Niederlage gegen CDU-Mann Stephan Keller.

Die SPD könnte Hamm als Trostpflaster bekommen. Denn der Vize-Chef der SPD-Landtagsfraktion, Marc Herter, könnte das kommunalpolitische Urgestein der CDU, Thomas Hunsteger-Petermann, seit 1999 im Amt, verdrängen. Das käme einer politischen Sensation gleich. Herter geht mit einem Vorsprung von drei Prozent in die Stichwahl.

Die Stichwahlen bei den Bürgermeister- und Landratswahlen sind umstritten, immer wieder wurden sie abgeschafft und wieder eingeführt. Zuletzt scheiterte die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf mit ihrem Plan, sie wegen häufig zu geringer Wahlbeteiligung abzuschaffen, vor dem NRW-Verfassungsgericht.

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