76-jähriger Kardiologe eröffnet anthroposophische Praxis in Bad Oeynhausen

Bad Oeynhausen. Schon allein die Umgebung entschleunigt. In dem malerischen Fachwerk-Gebäude im Siekertal, in dem bis vor wenigen Jahren im Restaurant "Dschingis Khan" mongolische Spezialitäten serviert wurden, hat der Kardiologe und Internist Joachim Hötzel jetzt eine Praxis eröffnet. Eine Praxis mit zwei Besonderheiten. Zum einen orientiert sich der Facharzt für innere Medizin und Kardiologie in Diagnostik und Therapie an der anthroposophischen Medizin Rudolf Steiners. Zum anderen ist Hötzel bereits 76 Jahre alt. "Der klassische Ruhestand ist nichts für mich, ich muss wissen, wofür ich morgens aufstehe", sagt Hötzel.

"Die Basis ist die Schulmedizin mit all ihren Möglichkeiten und der anthroposophische Ansatz das Plus", erklärt Joachim Hötzel die Grundlagen seiner Privatpraxis. Die von Rudolf Steiner und Ita Wegman Anfang des 20. Jahrhunderts begründete anthroposophische Medizin habe das Ziel, neben der naturwissenschaftlichen Betrachtung des Menschen weitere Ebenen des Lebendigen, Seelischen und Geistigen in die Heilkunst einzubeziehen, zitiert Hötzel den Anthroposophen Steiner: "Meinen Kardiologen-Kollegen habe ich das immer so erklärt: Anthroposophische Medizin ist wie Schulmedizin - nur schöner."

Aus der Eifel zurück in die alte Heimatregion Mit der Praxis im Siekertal schließt sich für Joachim Hötzel ein Kreis. Denn er ist in der Region aufgewachsen. "Nach meinem Abitur 1974 am Mindener Ratsgymnasium habe ich in Erlangen und Bonn Medizin studiert", erzählt der 76-Jährige. An der Universitätsklinik in Köln hat er seine Facharztausbildung in Kardiologie und innerer Medizin absolviert und dort fünf Jahre als Oberarzt gearbeitet. Anschließend wechselte er in eine große kardiologische Praxis in Bonn.

Das hohe Tempo in der Praxis, bei dem es "im Laufschritt durch die Behandlungszimmer ging", habe ihn nachdenklich gemacht und die Erkenntnis reifen lassen: "So geht es nicht weiter." Sein Interesse für die anthroposophische Philosophie Rudolf Steiners habe aber letztlich ein Waldorfkindergarten geweckt, den seine Kinder besucht haben.

Der ganzheitliche Ansatz der anthroposophischen Medizin, bei dem der biografische Aspekt und die Lebensumstände der Patienten eine erhebliche Rolle spielen, habe ihn fasziniert. "Lebensumstände, Erfahrungen aus der Kindheit, die psychische Verfassung", sagt Hötzel, "alles wirkt auf das kardio-vaskuläre System ein." Die Behandlungen nehmen daher auch viel Zeit in Anspruch. Letztlich stieg Joachim Hötzel aus der Bonner Praxis aus, um in der Nähe von Basel in einer Klinik für anthroposophische Medizin zu arbeiten. "Das war eigentlich meine schönste Zeit", sagt Hötzel.

Anstoß zur Veränderung: eine Corona-Infektion Zum Teil parallel zur Tätigkeit in der Schweiz betrieb er dann eine Praxis auf dem eigenen Anwesen der Abgeschiedenheit der Eifel. Als seine Frau im vergangenen Jahr für einige Wochen den Sohn in den USA besuchte und er währenddessen an Corona erkrankte, reifte der Gedanke einer erneuten Veränderung.

Die Basis für diese Veränderung fand letztlich seine in Bad Oeynhausen mit ihrer Familie lebende Tochter Anna Gneuß. Sie entdeckte bei einem Spaziergang das zu Wohnungen umgebaute ehemalige Restaurant. Im flacheren Teil des Gebäudes befindet sich nun die Praxis von Joachim Hötzel. An drei Tagen in der Woche behandelt er dort nun Patienten - mit der Unterstützung seiner Tochter Anna. Die Lage der Praxis gefällt Hötzel besonders gut: "Die passt sehr zum Konzept."

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