Streit um Tauben eskaliert, weil Bielefeld ein umstrittenes Medikament nutzen will

Bielefeld. 400 Tauben sind es, die immer wieder zum Ärgernis in der City werden. Vor allem am Jahnplatz sind sie Dauergäste, gefüttert werden sie täglich von Tierschützern am Niederwall - mit dem Ziel, sie als Gruppe ans Füttern zu gewöhnen und dann durch Verlegung der Fütterorte langsam aus der Innenstadt heraus gen Grünfläche an der Niederwall-Platane nahe der Ecke Detmolder Straße/Kreuzstraße zu manövrieren. Ein Plan, der dort ein Taubenhaus benötigt, aus dem Eier herausgenommen werden können, zur Bestandskontrolle. Doch das ist alles Zukunftsmusik - und jetzt offenbar vom Tisch.

Jetzt soll das Vorgehen härter werden, sehr zum Ärger der Tierschützer. Die gehen hart mit der Stadt ins Gericht. &bdquo;Tierschutzwidrig“ sei es, nun plötzlich mit dem aus der Hühnerzucht stammenden Medikament &bdquo;Ovistop“ gegen die Tauben vorzugehen. Helmut Tiekötter, Chef des Tierschutzvereins: &bdquo;Das Medikament ist als dauerhaftes Verhütungsmittel für Tauben überhaupt nicht erforscht.“ Schlimme Folgen könne es für die Tiere und auch andere Tiere haben. Die Tierschützer sehen einen Affront: Jahrzehntelange Gespräche und ein sehr konstruktiver Austausch seien vom Tisch gewischt worden, &bdquo;offene Fragen zum Medikament wurden nicht beantwortet, Gespräche brachen ab“.

&bdquo;Verhütungs-Pille, die keinem schadet, gibt es nicht“ Für Tiekötter ein Unding: &bdquo;Eine Pille zur Verhütung, die weder den Vögeln selbst, noch ihren Fressfeinden, noch der Umwelt schadet, wäre ja zu schön, um wahr zu sein - doch das gibt es nicht.“ Er mahnt: &bdquo;Außerdem würde die Pille nicht das elementare Problem am Standort Jahnplatz lösen, das heimatlose Vagabundieren der Tauben.“ Der einzige Weg zum Erfolg sei, den Schwarm zu einem &bdquo;Fress-Schwarm“ zu entwickeln, der dann umgeleitet werden könne - also raus aus der City. Dazu ein Taubenhaus nahe der Platane, &bdquo;nur so ziehen wir die Tiere aus der Innenstadt ab“.

Dann Eieraustausch - echt gegen Plastik - und die Population könne kleiner werden. So laufe es am OWD: 800 Eier würden jedes Jahr aus dem Kreislauf herausgenommen. Und übrigens auch viel Kot der Tiere, der im Taubenhaus lande und dort entfernt werde.

Doch nun steige die Stadt aus dem gemeinsamen Fütterungskonzept am Niederwall aus, stoße 20 Ehrenamtliche der Gruppe &bdquo;Stadttauben Bielefeld“, die täglich im Einsatz ist (auch unterm OWD am Taubenhaus), vor den Kopf. All das mit einem Medikamenteneinsatz, der umstritten sei. Das Mittel habe keine Zulassung, sei ein Parasitenmittel aus der Hühnermast, schädige den Embryo im Ei, aber vermutlich auch die erwachsenen Tiere. Das legten &bdquo;Erfolge“ nahe, die aus anderen Ländern gemeldet würden, wo der Tierschutz keinen so hohen Stellenwert habe. Rein rechnerisch könnten die bekannten Zahlen nur zustande kommen, wenn nicht nur Nachwuchs verhindert werde, sondern auch erwachsene Tiere - sicherlich qualvoll - sterben würden, so Tiekötter.

Dieser Weg sei ein Rückfall, so Tiekötter, &bdquo;ins reine Bekämpfen“, was die meisten Städte längst hinter sich gelassen hätten. Was den Tierschutzverein auch ärgert: Vor gut einem Jahr sei vom Oberbürgermeister der Auftrag ergangen, ein Stadttaubenkonzept mit allen Beteiligten zu erarbeiten. Ergebnis? &bdquo;Ein Jahr ging ins Land und der Medikamenten-Plan, mit dem die Verwaltung in die Gespräche mit uns eintrat, ist nicht einen Zentimeter verändert worden - von einem gemeinsamen Ansatz kann überhaupt keine Rede sein“, sagt Stephanie Elsner von der Bielefelder Stadttaubeninitiative.

Bundesverband warnt vor Medikament

Auch der Bundesverband &bdquo;Menschen für Tierrechte“ hat sich in einem offenen Brief geäußert, er fordert, beim bisherigen Konzept zu bleiben, weitere Taubenschläge zu etablieren und so &bdquo;eine tierschutzgerechte Lösung“ voranzutreiben. Dringend wird vor Ovistop gewarnt, es sei &bdquo;tierschutzwidrig“ und der Wirkstoff Nicarbazin als dauerhaftes Verhütungsmittel bei Tauben &bdquo;nicht erforscht“. Es gebe lebensbedrohliche Nebenwirkungen.

Während die Stadt auf Anfrage keine Stellungnahme abgab und laut Pressestelle die Kritik erst intern bewerten wolle, um dann am Dienstag in einer Pressekonferenz zu reagieren, hatten sich bereits vor einem Jahr CDU und FDP in der BZV Mitte gegen die Fütterung der Tauben ausgesprochen. &bdquo;Seit Jahren füttert der Tierschutzverein dort nun schon die Tauben an, obwohl keine Maßnahmen zur Kontrolle der Fortpflanzung in Sicht sind, das kann so nicht weitergehen“, sagte damals Timo Franz (FDP). CDU und FDP betonten damals aber auch, dass Medikamente, die für Unfruchtbarkeit sorgen könnten, noch nicht getestet seien - deshalb solle also nur das Füttern ausbleiben.

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