Doppelmoral? Die Wut der Schweinebauern zeigt ein grundsätzliches Problem

Münster. Ultimatum an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne): Am Rande der Grünen Woche in Berlin Ende Januar hoffen die deutschen Landwirte auf Zugeständnisse bei mehreren Streitpunkten mit der Bundesregierung. &bdquo;Andernfalls werden wir eine härtere Gangart wählen müssen“, kündigte Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV), an. Demonstrationen wolle er nicht ausschließen. Er sprach bei einer Veranstaltung auf Gut Havichhorst in Münster von einem &bdquo;enormen Druck“, den die Bauern der Region erzeugen könnten.

Auslöser ist vor allem die Sorge um die Existenz der mehr als 6.500 Betriebe mit Schweinehaltung in Westfalen-Lippe. Das Kernproblem: Gestiegene Futter- und Energiekosten sowie der rückläufige Verzehr von Schweinefleisch machten das Geschäft ohnehin schwierig. Gleichzeitig würden die politischen Rahmenbedingungen durch strengere Auflagen, zum Beispiel bei Tierwohl oder Bau- und Umweltrecht, verschärft.

Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sollte eigentlich die Lage für die deutschen Schweinebauern verbessern. Geplant ist ein fünfstufiges System, mit dem Verbraucher die Haltungsbedingungen nachvollziehen können und das anders als bisherige Label staatlich kontrolliert wird. Zugleich versprach Özdemir den Schweinebauern "verlässliche Planungssicherheit". Er kündigte an, sowohl Investitionen in Stallbaumaßnahmen als auch laufende Mehrkosten durch die Einhaltung höherer Tierwohl-Standards zu fördern. Auch sollten Genehmigungsverfahren vereinfacht werden.

Mehr Schweinefleisch aus dem Ausland Nun sorgt der Gesetzentwurf selbst in mehrfacher Hinsicht für Ärger. Es wird von den Bauernverbänden zwar grundsätzlich befürwortet, soll allerdings zunächst auf frisches Schweinefleisch begrenzt sein. Erst nach und nach sollen weitere Fleischsorten hinzukommen. Zudem sei darin keine Kennzeichnung der Herkunft, sondern nur des Mast-Ortes vorgesehen, moniert unter anderem der WLV. Das parallel geplante Förderprogramm des Bundes schließe außerdem viele kleinere Schweinehalter aus und falle mit einer Milliarde Euro auch zu gering aus. Beringmeier sprach insgesamt von einem &bdquo;Frontalangriff auf bäuerliche Familienbetriebe“, denen massive Wettbewerbsnachteile drohten.

Der WLV-Präsident beschrieb in diesem Zusammenhang auch eine Form der Doppelmoral. Während Deutschland durch neue Auflagen das Geschäft der Landwirte verteuere, griffen die meisten Verbraucher weiterhin zu billigem Fleisch – vor allem in Krisenzeiten. Dieses Fleisch komme dann immer öfter aus dem Ausland, unter geringeren Standards. "Wir haben das Gefühl, dass die Abwanderung der Tierhaltung ins Ausland von der Politik billigend in Kauf genommen wird”, erklärte Beringmeier.

Minister Özdemir steht auch von anderer Seite unter Druck: Tierschützern und der Verbraucherzentrale beispielsweise gehen seine Pläne nicht weit genug. Sie fordern, die gesetzlichen Mindeststandards für Tierhaltung deutlich anzuheben. Die Bauern hingegen hoffen auf weniger Bürokratie und mehr Förderung. Oder wie es der westfälische Bauernpräsident Beringmeier mit Blick auf Özdemir sagt: "Wir erwarten mehr."

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