Inkontinenz: Bielefelderin muss mit einer Windel am Tag auskommen

Bielefeld/Herford/Bad Oeynhausen. Bis zum Jahreswechsel wurde die Schwiegermutter von Anna Meier (alle Namen von der Redaktion geändert) gut in einem Bielefelder Pflegeheim versorgt. &bdquo;Sie leidet seit einer Operation an Harninkontinenz und benötigt deshalb Windeln, doch seit Januar steht ihr nach Angaben des Pflegeheims nur noch eine Windel pro Tag zu“, klagt Meier nun. Die Mitarbeiter erklärten der Familie, dass das Sanitätshaus nur noch alle 14 Tage 14 Windeln schickt, weil die Krankenkasse, in diesem Fall die Barmer, diese reduzierte Menge vorgegeben hat. Das führt nach Angaben Meiers dazu, dass ihre Schwiegermutter Tag und Nacht in einer nassen Hose verbringen muss.

&bdquo;Wenn ich sie frage, wie die Nacht war, sagt sie oft, dass sie wieder im Schwimmbad gelegen hat, weil das Bett nass ist“, erklärt Meier. Die schlechte Versorgung sei extrem belastend. &bdquo;Meine Schwiegermutter leidet sehr und verlässt kaum noch das Zimmer. Zudem ist ihre Haut gereizt und im Zimmer, in dem sie mit ihrem Mann lebt, riecht es extrem nach Urin.“

Inkontinenz führt bei Betroffenen zu einem hohen Leidensdruck, weil ungewollter Urinverlust oder Stuhlabgang das Leben massiv beeinflussen. Eine gute Versorgung mit Hilfsmitteln kann die Lebensqualität steigern, doch die wird nach Angaben Betroffener immer schwieriger, weil sich Krankenkassen und Sanitätshäuser um Geld streiten. Ein Einzelfall ist Familie Meier deshalb nicht.

Betroffene kritisieren unzureichende Ausstattung Eine Windel am Tag reicht für einen Erwachsenen laut Meier nicht aus. &bdquo;Das ist menschenunwürdig. Hier wird am falschen Ende gespart." Auch die Windeln und Einlagen, die die Familie als Zusatz selber finanziert, lösen laut Meier das grundsätzliche Versorgungsproblem nicht. Die Produkte passen oft nicht und haben eine schlechte Qualität.

Das bestätigt auch Beate Schulze, die sich um ihren Vater kümmert, der in einem Herforder Pflegeheim versorgt wird. &bdquo;Zu einer guten Versorgung gehört neben hochwertigen Produkten auch eine professionelle Beratung. Doch beide Vorgaben werden nicht erfüllt.“

Krankenversicherte haben gesetzlichen Anspruch auf adäquate Versorgung Laut dem fünften Sozialgesetzbuch haben gesetzlich Krankenversicherte, die an Inkontinenz leiden, Anspruch auf eine Versorgung mit Hilfsmitteln. Ohne Mehrkosten, unabhängig davon, ob sie stationär oder ambulant versorgt werden. &bdquo;Die Realität sieht aber anders aus, denn meinem Vater, der an Urin- und Stuhlinkontinenz leidet, stehen laut seiner Kasse, der AOK Nordwest, lediglich zwei Windeln am Tag zu“, moniert Schulze.

Da diese Versorgung nicht ausreicht, hat sich der Herforder nach Angaben seiner Tochter zurückgezogen. &bdquo;Er war trotz seiner körperlichen Einschränkungen immer unterwegs und hat viel Zeit mit uns verbracht. Seitdem sich die Versorgung so verschlechtert hat, traut er sich kaum noch aus seinem Zimmer.“ Schulze hat ihren Vater noch nie so erlebt: &bdquo;Er hat seine Lebensfreude verloren.“

Sie versucht, die Versorgungslücken mit eigenen Mitteln zu schließen: &bdquo;Doch das Geld haben wir leider nicht, weshalb ich meinem Vater nicht so helfen kann, wie ich es gerne würde. Das macht mich unglaublich traurig.“ Für eine Auseinandersetzung mit dem Sanitätshaus und der Krankenkasse fühlt sich Schulze nicht stark genug: &bdquo;Ich habe es lange versucht, aber ich bin leider selber schwer krank. Ich bin hilflos.“

Sanitätshäuser und Krankenkassen schieben sich Schuld zu Dass die Auseinandersetzung mit Krankenkassen und Sanitätshäusern viel Kraft kostet, erlebt seit November 2022 auch Helmut Müller aus Bad Oeynhausen. &bdquo;Meine Frau leidet in Folge mehrerer Operationen an Harn- und Stuhlinkontinenz und wird seit November nicht mehr ausreichend mit Hilfsmitteln versorgt. Das schränkt unser Leben stark ein.“ Das Sanitätshaus teilte der Familie Ende 2022 mit, dass die Produktpreise gestiegen sind und nur noch fünf Windeln geliefert werden. &bdquo;Das reicht aber nicht. Wenn wir weiterhin Produkte in ausreichender Zahl und gleichbleibender Qualität haben möchten, müssen wir aus eigener Tasche dazu zahlen.“

Das verweigert die Familie, weshalb sie inzwischen eine Mahnung vom Sanitätshaus mit der Drohung erhalten hat, dass ein Inkassounternehmen eingeschaltet wird. &bdquo;Seit Monaten setze ich mich deshalb mit dem Sanitätshaus und der DAK als zuständige Krankenkasse auseinander, doch beide Stellen schieben sich die Schuld nur gegenseitig zu“, moniert Müller. &bdquo;Das Sanitätshaus sagt, dass es die steigenden Kosten an die Kunden weitergeben muss. Und die Krankenkasse sagt, dass sie den Sanitätshäusern nicht mehr für Hilfsmittel erstatten kann.“

Ausgetragen wird dieser Streit laut Müller auf den Rücken von Betroffenen wie seiner Frau. &bdquo;Kranke und behinderte Menschen haben doch eigentlich schon genug mit sich und ihren Einschränkungen zu kämpfen. Nun wird uns das Leben weiter erschwert. Das ist eine Sauerei.“

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