Bad Salzuflens Bürgermeister zieht nach einem Jahr Bilanz

Bad Salzuflen. Seit gut einem Jahr ist Dirk Tolkemitt als Bürrgermeister im Amt. Der 57-Jährige ist dabei, die Arbeit der Verwaltung in vielen Bereichen umzukrempeln. Dass das nicht immer bei allen Mitarbeitern auf Gegenliebe stößt, räumt er durchaus ein. Im Interview spricht er auch darüber, was bei der Rathaussanierung bereits in der Vergangenheit schief gelaufen ist und warum er künftig auf einen Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft setzt.

Herr Tolkemitt, Sie sind mit dem Ziel angetreten, dass die Verwaltung von den Bürgern als Problemlöser wahrgenommen werden soll. Zumindest bei der Bürgerberatung ist das bisher nicht gelungen, viele Menschen klagen über lange Wartezeiten.

Dirk Tolkemitt: Wir werden die Bürgerberatung ganz neu aufstellen. Es wird organisatorisch einen eigenen Fachdienst Bürgerberatung geben. Es hat sich nach dem Corona-bedingten Herunterfahren der Beratungsangebote als falsch erwiesen, für die Bearbeitung der Bürgeranliegen generell eine halbe Stunde einzurechnen. Diesen Zeitraum werden wir jetzt je nach Vorgang verkürzen, um die Schlagzahl zu erhöhen. Zusätzlich wird man künftig auch ohne festen Termin kommen können, um dann reinzurutschen, wenn ein gebuchter Termin nicht wahrgenommen wurde. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass 20 Prozent der gebuchten Termine nicht wahrgenommen werden, weil es Doppel- und Dreifachbuchungen gibt. Und eine Sache muss ich auch mal sagen: Niemand hat, wenn er dringend irgendwo hin musste, seinen Ausweis nicht bekommen. Dennoch: Wir waren da nicht so gut, und wir werden ab Dezember besser.

Einen anderen Umbau planen Sie in der Gebäudewirtschaft. Was soll das bringen?

Wir haben momentan teilweise eine Dreifachzuständigkeit für eine Liegenschaft. Mein Lieblingsbeispiel aus der Grundschule Elkenbreder Weg: Da liegt ein Berg Erde auf dem Schulhof. Die Schulleitung sagt, der Berg muss weg. Für das Gebäude ist der Hochbau zuständig, für das Gelände der Tiefbau, für die Laufbahn, die da auch noch ist, der Fachdienst Sport. Dann sagt der eine Kollege, der Erdaushub stammt vom Ausbau der Kantine, ist also Sache des Hochbaus. Weil er draußen liegt, ist er aber auch irgendwie Sache des Tiefbaus. So geht es ja nicht. Da muss es eine Zuständigkeit geben. Einer muss den Hut aufhaben und sagen: &bdquo;Bauhof, komm und räum den Erdhaufen weg."

Das wird nicht die einzige Aufgabe sein...

Nein. Wir haben über 200 Immobilien mit einem Wert von mehr als 230 Millionen Euro. In der Gebäudewirtschaft geht es darum, diese Gebäude und Liegenschaften wirtschaftlich, rechtssicher und nutzerorientiert zu betreiben. Der Eigenbetrieb Gebäudewirtschaft ist dafür da, dass wir über die Lebenszyklen von Gebäuden nachdenken. Was muss ich tun, damit ein Gebäude die angestrebte Nutzungsdauer erreicht?

Zuletzt ist das Verhältnis zwischen Politik und Verwaltung etwas angeknackst. So kritisiert die SPD, dass die Parteien im Rat nicht zeitnah über die gestiegenen Kosten bei der Rathaussanierung informiert worden sind. Im Juni seien die aktualisierten Kosten in der Verwaltung kommuniziert worden und erst am 15. September gegenüber der SPD. Ziehen Sie sich den Schuh an?

Ich ziehe mir jeden Schuh an (lacht). Der Bürgermeister ist ja irgendwie immer für alles verantwortlich. Ich sage aber deutlich: Ohne mich gäbe es die genannte Vorlage nicht, in der jetzt wirklich alle Kosten drin stehen und zwar mit allen Eventualitäten. Es hätte eigentlich schon vor zehn Jahren klar sein müssen, dass es nicht mit einer Erneuerung der Fassade getan ist, sondern dass das heute 50 Jahre alte Gebäude kernsaniert werden muss – und da sind wir dann bei 30 Millionen Euro. Das hätte man schon vor einer Dekade genau so kommunizieren müssen. Es hat nur niemand die Traute gehabt, weil man aufgrund des Haushaltssicherungskonzepts nach der Rasenmäher-Methode überall nicht mehr investiert hat, anstatt die wichtigen Sachen zu machen und die nicht so wichtigen wegzulassen. Es wäre deutlich günstiger gewesen, wenn man bereits damals strategisch saniert hätte. Aber dazu hatte auch die Politik damals keine Kraft.

Wann soll das Rathaus denn nun fertig sein?

Ich gehe davon aus, dass die Sanierung nicht vor Ende 2023/Anfang 2024 abgeschlossen ist, also mehr als ein Jahr später als geplant. Das ist aber nicht das Schlimmste. Damit verbunden ist ja auch eine Anmietung von anderen Gebäuden, in denen die Kolleginnen und Kollegen während des Umbaus untergebracht sind. Das ist ein deutlich sechsstelliger Betrag, der noch mal oben drauf kommt.

Auch beim Umbau des Schulzentrums Aspe waren die Kosten in die Höhe geschossen. Was wollen Sie künftig unternehmen, damit die tatsächlich zu erwartenden Kosten von Anfang an auf den Tisch kommen?

Wir brauchen Transparenz. Erstens: Die städtische Gebäudewirtschaft wird von Anfang an die Kosten offenlegen. Zweitens: Wir brauchen einen Budgetrahmen, der realistisch ist. Bei Aspe hatte man schon mal 35 Millionen Euro genannt, dann aber gesagt, das können wir uns nicht leisten, dann machen wir mal 29 Millionen Euro draus. Das ist keine Vorgehensweise. In Aspe war es ein kolossaler Fehler, zu sagen, wir nehmen Gewerke raus, um zu sparen. Jetzt stellt sich heraus, dass diese mit anderen Gewerken zusammenhängen und wir sie wieder einkaufen müssen. Mit einer vernünftigen Gebäudewirtschaft wird es das nicht mehr geben.

Die CDU hatte als Reaktion auf Aspe vorgeschlagen, eine eigene Controlling-Stelle bei der Stadt einzurichten. Ist das noch ein Thema?

Nein, denn im Grund ist es Aufgabe jedes verantwortlichen städtischen Mitarbeiters genau das zu tun: Nämlich die Kosten im Blick zu behalten und das Budget einzuhalten. Wir müssen die Aufgaben noch mal klarer machen. Wer auf Seiten der Stadt für die Planung zuständig ist, ist auch für das Budget zuständig.

Das hat bisher nicht geklappt...

Richtig, das hat nicht funktioniert, weil auch in den Köpfen einiger Mitarbeiter und in der Politik die Zuständigkeit fürs Geld im Fachbereich Finanzen liegt. Das ist aber nicht so. Jede Führungskraft hat eine Fach- und eine Budgetverantwortung für den eigenen Bereich und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit auch. Ich sage aber auch: Wir müssen den entsprechenden Mitarbeitern natürlich die Zeit geben, sich mit großen Sanierungen befassen zu können und dass sie sich nicht auch noch mit kleineren Instandsetzungsarbeiten auseinandersetzen müssen. All das wollen wir mit der Gebäudewirtschaft erreichen, wo wir die verschiedenen Bereiche vernünftig aufteilen.

Bleiben wir beim Personal. In Ihrer Amtszeit gab es in der Verwaltung zwei prominente Abgänge: Die Leiterin des Jugendamts ist gegangen. Mit der ehemaligen Leiterin der VHS gab es einen Termin vor dem Arbeitsgericht, weil die Stadt ihr gekündigt hat. Wie ist denn gerade das Betriebsklima?

Wir haben jetzt einen anderen Anspruch an uns und an die Leistung, die wir erbringen wollen. Die erbringen wir nämlich nicht für uns selbst, sondern für die Bürgerinnen und Bürger. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Städten und insbesondere anderen Kur- und Heilbädern. Wir haben bei der Umstrukturierung eine Schlagzahl im Haus an den Tag gelegt, die manchen Angst macht, das weiß ich. Für andere ist sie aber befreiend, weil wir Mitarbeiter miteinbeziehen, die aufgrund der bisher viel zu tiefen Hierarchien überhaupt nicht wahrgenommen worden sind. Sie beteiligen sich nun rege an der Frage, wie wir Stadt gestalten wollen. Die atmen auf. Fluktuation ist nicht immer schädlich, sondern bisweilen auch gut und gewollt. Und dem Betriebsklima hat das Einbeziehen der Kolleginnen und Kollegen ämterübergreifend und ohne Berücksichtigung von Hierarchien gut getan. Verwaltung kann auch agile Prozesse abbilden. Da sind wir auch ein bisschen stolz drauf. Wir kümmern uns jetzt sehr um Teamstrukturen und nehmen die Anregungen und Wünsche aus dem Haus sehr ernst. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass einige Wenige nicht zufrieden sind. Aber es gibt keine Organisation, in der alle zufrieden sind.

Die Mitarbeiter des Staatsbads sollen in die Stadt integriert werden. Wie geht das voran?

Das wird sich ab dem 1. Januar entwickeln, es gibt verschiedene Arbeitskulturen. Die Mitarbeiter werden aber ihre Aufgaben behalten, nur werden sie jetzt im Gesamtkonstrukt Stadt sichtbarer. Eine Sache ist mir aber wichtig: Die Mitarbeiter, die noch im operativen Teil der Staatsbad GmbH verbleiben, müssen sich keine Sorgen machen, dass wir den verbliebenen Teil des Staatsbads irgendwann abwickeln. Da gibt es ganz klar eine Bestandsgarantie. Entscheidend ist, dass wir demnächst keine Parallelstrukturen haben, die nebeneinander her arbeiten. Der Mensch, der von außen auf uns blickt, soll keinen Unterschied mehr machen zwischen Staatsbad und Stadt.

Ein großes Ziel von Ihnen ist der Gesundheitscampus: Was können die Bad Salzufler erwarten?

Bis Ostern nächsten Jahres wollen wir den Fürstenhof in die Vermarktung gebracht haben, und wir wollen bis Ende diesen Jahres Ideen zum Campus konkretisieren. Wir sind dabei, mit dem &bdquo;Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL" unsere Ideen auf Papier zu bringen. Auf dem ehemaligen Klinikgelände sollen die Bauten entstehen, in denen wir unter dem Motto &bdquo;Wir bieten Raum für Innovation, Exzellenz und Lebensqualität" ein Angebot schaffen wollen. Wichtig ist, dass wir den potenziellen Kurgästen einen Grund geben, zu uns zu kommen und nicht an Orte zu gehen, die landschaftlich reizvoller sind. Außerdem wollen wir den eigenen Bürgerinnen und Bürgern auch den großen Mehrwert verdeutlichen, den der Gesundheitsstandort Bad Salzuflen gegenüber anderen Städten hat. Das alles muss für die Menschen, egal ob sie hier wohnen, wohnen wollen oder als Gäste zu uns kommen, erlebbar sein.

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