In Lemgo sollen künftig Bäume zum "Plündern" freigegeben werden

Lemgo . Wer will, kann sich an den Straßen und auf den Wiesen der alten Hansestadt die Obstkörbe gratis voll machen. Dort, wo Bäume an Wegesrändern und auf öffentlichen Wiesen stehen, gilt meist: Äpfel, Birnen & Co. gehören dem, der bei Reife als Erster zugreift. Indes: Aus den Standorten, wo Lemgoer im Herbst kostenlos pflücken können, macht die Stadt zwar kein Geheimnis, an die große Glocke hängt sie sie aber auch nicht. Das soll sich, wie die SPD beantragt und die Politik-Mehrheit mitträgt, ändern. Zum Herbst 2022 könnte es klappen, meint die Stadt. Selbst Privatleute, die des eigenen Obsts nicht Herr werden, könnten dann mitmachen.

Die Sozialdemokraten wollen es nicht einsehen: Da wird viel über Lebensmittel aus der Region und die Verschwendung und Vernichtung von Nahrungsmitteln diskutiert. Andererseits vergammele Obst am Baum, weil niemand es pflücke. Lemgo solle sich deswegen an der bundesweiten Initiative &bdquo;Mundraub" ein Beispiel nehmen und ein Zeichen setzen.

Konkret geht es um Signale: Dieser Baum ist zum &bdquo;Plündern" freigegeben, jener nicht. &bdquo;Besonders in Jahren, in denen die Ernte üppig ausfällt", ergebe das Sinn, meinen SPD-Fraktionschef Alexander Baer und Juso-Vorsitzender Marius Kremming. Das Signal könne vor Ort erfolgen – als Schleife am Baum, die sowohl die Stadt verteilen könnte als auch für Privatleute abzuholen wäre. Andererseits könnten die Standorte auf der Webseite von &bdquo;Mundraub" notiert werden, die bislang für Lemgo nur wenige Einträge von Außenstehenden hat.

Hier sieht auch der Vorsitzende der Lemgoer Ortsgruppe im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Eckhard Buschmeier, eine Chance. So könnten die Markierungen klarer machen, welche Obstbäume zur Verfügung stehen – und welche eben nicht. Beispielsweise hat der BUND zwei Streuobstwiesen – in Kirchheide und am Lindenhaus – in der Obhut.

Bäume wurden beschädigt Das bedeutet laut BUND-Chef Buschmeier: Einerseits kümmere man sich um die Pflege und biete das Gelände auch für pädagogische Zwecke, etwa Schulbesuche, an. Andererseits verdient sich der BUND so das Recht zur Ernte. Auch der Heimatverein Voßheide genießt ein solches Arrangement. Längst nicht jeder Lemgoer aber kennt diesen Pakt. &bdquo;Mit einem Haken, vielleicht einem Wanderstock, muss neulich jemand so heftig an einem unserer seltenen Apfelbäume gezogen haben, dass die Krone jetzt beschädigt ist", sagt BUND-Mann Buschmeier. &bdquo;Im Grunde müsste der Baum weg."

Die Chance auf mehr Klarheit erkennt auch der Chef des Straßen- und Entwässerungsbetriebes, Björn Ladage, in dem Antrag der SPD. Im November möchte die Verwaltung Näheres dazu sagen, wie sie sich die Umsetzung vorstellt. Denn: So einfach, wie die Sozialdemokraten es sich vorstellen, ist es nicht. Laut Ladage fehlt schlicht und einfach ein vollständiges Kataster, das man &bdquo;Mundraub" übergeben könne, oder nach dem man flächendeckend Schleifchen verteilt.

Bei Einsatzfahrten, etwa des Bauhofs oder der Kanal- und Straßenteams, künftig darauf zu achten und so peu à peu die Datenlage zu verbessern, sei aber sicher denkbar, sagt SEL-Chef Ladage weiter. Lars Becker, Betriebsstättenleiter beim Bauhof, pflichtet ihm bei. Unbedingte Pflicht sei aber eine Schleife aus einem umweltfreundlichen Material wie Kokosfaser, um der Umwelt nicht zu schaden. Problematisch sieht Lars Becker die Markierung von Obstbäumen in unwegsamem Gelände und an viel und flott befahrenen Straßen. &bdquo;Da stellt sich dann auch die Frage der Sicherheit für die, die pflücken", sagt er. In Wohngebieten dagegen gibt es laut Becker wenig Obst tragende Gewächse, weil sie meist ungewollt groß werden und Fallobst &bdquo;produzieren", das Wespen anlockt. Über Kreisstraßen mit Obstalleen könne die Stadt zudem nicht richten.

Trotz der Einschränkungen soll der Antrag laut Umweltausschuss-Chef Dr. Burkhard Pohl (Grüne) nun ins Rollen kommen. Positiv: Auf einem Weg könnte auch geschaut werden, auf welchen Flächen eventuell Platz für weitere Bäume ist, meint Pohl. Strittig ist noch die Farbe der Schleife. &bdquo;Gelb" schlugen die Jusos vor, so wie es &bdquo;Mundraub" vormacht.

Gegen diese Farbe gibt es aber auch Vorbehalte in der Lemgoer Politik, weil sie bereits besetzt ist – ausgerechnet als Schleife, um die Solidarität mit Soldaten im Auslandseinsatz zu bekunden. &bdquo;Die Farbe ist doch relativ egal", zeigt sich Hartmut Baack, SPD-Mann im Umweltausschuss, kompromissbereit. &bdquo;Hauptsache im Juni, wenn die Kirschen reif sind, starten wir." Und wenn sie mit der Regenbogenschleife unters Volks gebracht werden – umso besser.

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